vorheriger
Artikel
nächster
Artikel
Ausstellungen: Köln · S. 430 - 430
Ausstellungen: Köln , 1989

Jürgen Raap
Ralph Bageritz

»Der Ausflug nach Bageritz mit Abstecher nach Baselitz«

Galerie Ernesto-Krips, 14.7.-28.8.1989

Gibt es formale Unterschiede zwischen der Entausscheidung im Grand Prix d’Eurovision und der Kür der Kandidaten zum Politbüro, zwischen den Saalkandidaten bei “Wetten daß?” und den Teilnehmern der “Spartakiade”? Über die ideologischen Grenzen hinweg scheint die Medienwirklichkeit Parteitage in Fernsehshows aufzulösen, Übertragungen von Schützenfest-Umzügen auf den Privatkanälen zu Paraden zum Jahrestag der Revolution zu stilisieren. Wer des Infotainment-Journalismus überdrüssig ist, ob Herr Bush in weißen Socken und Herr Gorbatschow in schwarzen Socken dem Bundespräsidenten seine Aufwartung machte, wird einen weitaus höheren Unterhaltungswert in der Pressemeldung sehen, das VEB-Nudelwerk “Möwe” habe nun die Produktion von Vollkornspaghetti aufgenommen, Ausstoß 1,5 Tonnen pro Stunde.

Der Bericht über die Spaghetti-Produktion in der DDR erschien am selben Tag in einer westdeutschen Boulevardzeitung, als der Kölner Künstler Ralph Bageritz seinen Reisebericht über die familiäre wie künstlerische Ahnenforschung im Lande Honeckers als neues Kapitel seiner Bilderserie “Deutsche Läuterung” dem Vernissagenpublikum vorstellte: “Der Ausflug nach Bageritz mit Abstecher nach Baselitz”. Der Ort Bageritz liegt im DDR-Bezirk Halle, Deutschbaselitz im Bezirk Dresden, wie der Ausstellungsbesucher den abfotografierten Ortsschildern entnehmen konnte.

Collagierte und übermalte Fotodokumente, vergrößert und in bewußter Verblassung auf den Bildgrund aufgetragen, jene Staubigkeit von Schaufensterdekorationen nachvollziehend, die den nostalgiefixierten Ostblick-Touristen ins Schwärmen geraten läßt. Bageritz zeigt ein hochsensibles Gespür für die ästhetisch unterschiedlich ausgeloteten Niederungen des Trivialen in Design und Dekoration in Ost und West; was dort authentische Alltäglichkeit ist, wurde hier in den letzten Jahren als rückwärtsgewandte Hoola-Hop-Mode künstlich aufgepept. Da ist keinerlei Häme über den…


Kostenfrei anmelden und weiterlesen:

  • 3 Artikel aus dem Archiv und regelmäßig viele weitere Artikel kostenfrei lesen
  • Den KUNSTFORUM-Newsletter erhalten: Artikelempfehlungen, wöchentlichen Kunstnachrichten, besonderen Angeboten uvm, jederzeit abbestellbar
  • Exklusive Merklisten-Funktion nutzen
  • dauerhaft kostenfrei