Robert Wilson
Die Lehre des Taubstummen
Ein Gespräch von Heinz-Norbert Jocks
Was könnte eine adäquate Bezeichnung sein für den 1941 in Texas geborenen Robert Wilson, dem einst scheuen Sohn eines Rechtsanwalts, der, mit Fantasie begabt, bis zu seinem 17. Lebensjahr als schwer verhaltensgestört galt? Für ihn, dem weltweit gefragtesten Theater- und Opernregisseur mit Hang zum Gesamtkunstwerk, der auf allen Hochzeiten der Kunst tanzt, als Choreograph, Maler, Zeichner, Bildhauer, Videokünstler, Sound- und Lichtdesigner? Ein Traumbildertheatermacher, der ohne Handlung und Höhepunkt auskommt, aus dem Leben schöpft, mit Verfremdungseffekten jongliert, uns mit langsam dahingleitenden Bildern in magische Räume führt. Könnten wir ihn leibhaftig in seinem Büro im Watermill Center, seinem „Labor für Performance“ auf der Südspitze von Long Island besuchen, wo er jeden Sommer mit einer ständig wechselnden Besetzung von Gastkünstlern, Tänzern, Musikern, Wissenschaftlern, Schauspielern und Schriftstellern verbringt, sähen wir „Bob“, wie sie ihn nennen, umgeben von Erinnerungsstücken. Afrikanische Töpfe und indonesische Volksskulpturen. Dutzende von Kunstwerken von Freunden. Eine David-Hockney-Zeichnung von Betty Freeman. Ein Tisch und ein Stuhl von Donald Judd sowie ein Robert Mapplethorpe-Porträt des jungen Wilson aus den 1970er Jahren. Mit seinen beinah 80 Jahren ist er nicht mehr so schlank und rabenschwarzhaarig wie damals, aber nach wie vor eine imposante Figur.
Heinz-Norbert Jocks: Was unterscheidet die Medien, mit denen Sie arbeiten, voneinander?
Robert Wilson: Ich sehe alles als Teil eines Ganzen. Mein primäres Interesse gilt dem Theater, weil es alles umfasst: Architektur, Tanz, Musik, Licht, Malerei und Poesie.
Ich wüsste gerne mehr über die Andersartigkeit der Medien und denke dabei an Ihre…