Utopie heißt ja der Plan
Unruhig bleiben mit Joseph Beuys
von Catherine Nichols
Im noch neuen Jahr 1974 suchte Joseph Beuys das Gespräch mit Vertreterinnen des Women’s Liberation Movement in New York. Gleich zu Beginn seiner Tournee zur Bewerbung seiner als „Energy Plan for the Western Man“ bezeichneten Utopie fand das Treffen statt.1 Fotografien von Gerhard Steidl dokumentieren die Begegnung, die in der Forschungsliteratur sonst nur spärlich Erwähnung findet. Eine Nahaufnahme zeigt Beuys im Einzelgespräch mit der Künstlerin Camille Billops. Beide sitzen vor einer holzgetäfelten Wand: Beuys ist der Sprechende. Billops hört, ohne eine Miene zu verziehen, zu. Ob sie nachdenklich oder gelangweilt ist, lässt sich dem Bild nicht entnehmen. Ich ertappe mich dabei, Letzteres zu vermuten, mir vorzustellen, wie Beuys ihr vom Feminismus erzählt, dass dieser etwa „noch keine hohe Form“ habe, aber „in der Stoßrichtung zu unterstützen“ sei,2 oder etwa dass Frauen das „Lebensprinzip“ verkörperten und so für die Transformation der verwundeten, zu abstrakt und materialistisch gewordenen Männer eine wichtige Rolle spielten.3 Eine weitere Aufnahme derselben Szene zeigt Billops als die Sprechende, Beuys als Zuhörenden. Was mag sie ihm erzählt haben?
Gegenüber seinem Freund und Mitstreiter Willi Bongard berichtete Beuys, dass er bei den Frauen in New York „die große, zusammenhängende, übergreifende Idee“ nicht angetroffen habe, dass ihm nicht klar geworden sei, „wie die sich befreien wollen“, ja dass das vielversprechende politische Potenzial der Frauenbewegung doch viel vielsprechender wäre, wenn es sich nur an seiner „Idee der sozialen Skulptur“ orientierte.4 Dieses universell angelegte „Gesetz des Sozialen“,5 diese „Freiheitswissenschaft“,6 …