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Titel: Bild und Seele · S. 163 - 167
Titel: Bild und Seele , 1989

Eduard Beaucamp
Tempel der schizophrenen Phantasie

EIN MUSEUM FÜR JEAN DUBUFFETS SAMMLUNG DER ART BRUT

Jean Dubuffet (1901-1985) hatte sich intensiv mit den Resultaten der Erforschung der Seele beschäftigt und spürte selbst intensiv den Urgründen des Kreativen nach. Ohne die Studien Hans Prinzhorns (1866-1933) wäre der Weinhändler Jean Dubuffet nicht der Künstler und Sammler Jean Dubuffet geworden. Im Verband mit Freunden trug Dubuffet in den vierziger, fünfziger und sechziger Jahren rund 5000 Kunstwerke zusammen, geschaffen von Geisteskranken, Gefangenen und anderen Einsamen. Ende der sechziger Jahre, als sich das öffentliche Interesse für Art brut zu regen begann, löste sich Dubuffet innerlich mehr und mehr vom großen Sammelwerk, das seit 1976 auf Grund einer vier Jahre zuvor erfolgten großzügigen Schenkung im Château de Beaulieu in Lausanne ausgestellt ist. Anzumerken ist, daß das Sammelgut mittlerweile auf über 10 000 Kunstwerke angewachsen ist. Eduard Beaucamps Aufsatz entstand unmittelbar nach der feierlichen Einweihung der “Collection de l’Art brut”.

Ganz ohne Vorbilder ist auch die moderne Kunst niemals ausgekommen. Die Götter der Tradition, die Griechen und die alten Meister, sind von neuen verdrängt worden, von Idolen der Ursprünglichkeit, des Formlosen, Spontanen, Naiven und Elementaren. Gesucht wurden jetzt selige Gefilde jenseits von Zivilisation und Geschichte, das Paradies einer unverbildeten Kultur, der glücklichen “Wilden” und Exoten, der Naiven, Kinder, Psychopathen und der kulturlosen Trivialkünstler, deren Produktivität entdeckt, ausgebeutet und wie zuvor die Schöpferkraft eines Raffael oder Phidias angebetet wurde.

Mit der Zeit ist auch die Moderne akademisch geworden und hat ihren Idolen Tempel gebaut. Exotische Sammlungen machen heute dem Louvre Konkurrenz, und…


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