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Ausstellungen: Wien · von Dieter Buchhart · S. 347 - 348
Ausstellungen: Wien , 2003

DIETER BUCHHART
Trauer

Atelier Augarten, Österreichische Galerie Belvedere, Wien, 16.4. – 27.7.2003

Sigmund Freud definierte 1917 Trauer als regelmäßige “Reaktion auf den Verlust einer geliebten Person oder einer an ihre Stelle gerückten Abstraktion wie Vaterland, Freiheit, ein Ideal usw.”1 Dabei trennt Freud die erfolgreiche “Trauerarbeit” als seelische Aktivität zur Wiedergewinnung der Normalität von jener der vom “Verdacht auf eine krankhafte Disposition” bestimmten Melancholie. Während sich der Trauernde seines Verlustes bewusst sei, mangle dem Melancholiker eben jene Einsicht, sei er von Verbitterung, Schuldgefühlen und Hoffnungslosigkeit bestimmt. Die Aussicht auf ein Ende der Trauererfahrung bedeutet zugleich, dass Freud eine theoretische Ersetzbarkeit des schmerzhaften Verlustes nach erfolgreicher Trauerarbeit annimmt.

Diese Endgültigkeit einer vollständigen Substitution eines Verlustes bezweifelt der Kurator der Ausstellung “Trauer” im Atelier Augarten der Österreichischen Galerie Belvedere Thomas Trummer. Er stellt die Frage nach der Darstellbarkeit von Trauer und führt aus: “Das Wort Trauer ist heute verschwunden. Wir verwenden dieses nur mehr für Tod, der radikalsten Form des Verlustes, aber nicht mehr für andere Arten von Verlusten von Personen, Gegenständen, Lebensformen, auch Staatsformen.” Dabei ist Trummers grundlegende These, dass sich die Kommunikation von Trauer in der zeitgenössischen Kunst nicht mehr über eine tradierte Pathosformel des Leids oder ritualisierte Geste vollziehe, sondern andere Formen der Codierungen finde. Zur Untermauerung dieser Überlegungen wählte er den 1996 an AIDS verstorbenen Künstler Felix Gonzalez-Torres als Ausgangspunkt.

Gonzalez-Torres drückte in seinem reduzierten Formenrepertoire sowohl die Ahnung als auch die Manifestation eines Verlust aus, lässt diesen buchstäblich spürbar werden. Dabei setzt er sich in teils “präsumtiver Trauer”, so Trummer, als Vorausahnung…


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