Stuttgart
Vertigo
Op Art und die Geschichte des Schwindels 1520 – 1970
Kunstmuseum Stuttgart 23.11.2019 – 19.04.2020
von Martin Blättner
Lange kann der Betrachter der Op Art dem Bombardement auf die Sinneswahrnehmung nicht standhalten. Das optische Flimmern der pulsierenden Linienzeichnungen von Bridget Riley, das Stroboskoplicht von Giovanni Anceschi, die Laserinstallationen von Adolf Luther oder das vierteilige, als Labyrinth angelegte, Environment von Gianni Colombo strapazieren auf Dauer die Wahrnehmung, obgleich die Vorgänge faszinierend sind. Im schlimmsten Fall löst das ein Schwindelgefühl („Vertigo“) und eine Störung des Gleichgewichts aus. Schon 1964 definierte Jon Borgzinner im Time-Magazin im Vorfeld der Ausstellung „The Responsive Eye“ (1965) diese Kunst: „Op Art, Bilder, die das Auge attackieren“. Die Kuratoren Eva Badura-Triska und Markus Wörgötter, die diese Ausstellung für das mumok in Wien (25.05. – 20.10.2019) konzipiert hatten, gehen aber noch einen Schritt weiter. In Anspielung auf den gleichnamigen Film von Alfred Hitchcock aus dem Jahr 1950 verweisen sie auf Attacken auf den ganzen Körper mit der Idee, die OP Art der 60er Jahre in eine „Geschichte des Schwindels“ von 1520 – 1970 zu stellen. Doch nicht nur das. Vor allem wollten die beiden die Op Art zum „Manierismus der konkreten Kunst“ erklären.
Umberto Eco, der mit seinem Buch „Opera Aperta“ die Idee des offenen Kunstwerks propagierte, wurde flugs zum Kronzeugen für die These gekürt, dass jede Epoche eine „anti-klassische“ Gegenbewegung – also eine manieristische – hervorbringe. Doch ehe wir die Kunstgeschichte umschreiben und die „Manierismen“ vom frühen 16. Jahrhundert bis zum Ende des 20. Jahrhunderts auf eine Linie bringen, wenden…