Hannover
Zhanna Kadyrova
Daily Bread. Eine erste Retrospektive
Kunstverein Hannover 20.01.– 09.04.2023
von Michael Stoeber
Trotz des etwas biblisch klingenden Titels ihrer sehr sehenswerten ersten institutionellen Einzelausstellung in Deutschland ist die Marxistin Zhanna Kadyrova, 1981 in Brovary in der Ukraine geboren, keineswegs zur Häretikerin geworden. Ihr „tägliches Brot“, von dem hier die Rede ist, ist eher metaphorisch zu verstehen, im Sinne einer kontinuierlichen Kunstpraxis, so wie Walter Benjamin sich einst das tägliche Schreiben verordnete. Nulla dies sine linea!
Dennoch ist Brot auch ganz materiell in der Ausstellung als Kunstwerk vorhanden in Form eines prächtigen Angebots unterschiedlicher Sorten, appetitlich auf weißer Tischdecke angerichtet, sodass man am liebsten hineinbeißen möchte. Davon ist indes abzuraten, handelt es sich bei ihnen doch um blank polierte Flusssteine. „Palianytsia“ (2022), so der Titel der Werkserie, ist ein länger laufendes, in Zusammenarbeit mit Denis Rubans entstandenes Charity-Projekt, dessen Einnahmen die Künstlerin weitergibt, um im Krieg mit Russland den ukrainischen Widerstand zu unterstützen. Ein Gramm des Brotes kostet ein Euro.
Sein Preis wie sein illusionistisches Trompe-l’oeil erinnern an Zhanna Kadyrovas Marktstand, mit dem sie 2019 auf der Biennale von Venedig auf sich aufmerksam gemacht und den sie in Hannover wieder aufgebaut hat. Auf ihm locken jede Menge leckerer Südfrüchte, herrlicher Blumensträuße sowie prächtige Würste und Schinken. Auch sie aus unverdaulichen Materialien wie Keramikfliesen, farbigem Zement und Spiegelglas gefertigt.
Als die Künstlerin in Venedig als Marktfrau ihre Werke verkaufte, war das mehr als ein Gag und ihre Installation mehr als eine Pop Art-Reminiszenz. Im Schaulaufen der Eitelkeiten auf der Biennale machte Kadyrova mit „Market“ (2017…