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Titel: Essen und Trinken · von Heinz-Norbert Jocks · S. 210 - 217
Titel: Essen und Trinken , 2002

HERMANN NITSCH
ZU TISCH AUF SCHLOSS PRINZENDORF

EIN GESPRÄCH VON HEINZ-NORBERT JOCKS

Seit Jahrzehnten zelebriert Hermann Nitsch, der legendäre Wiener Aktionist, auf seinem Schloss in der Nähe von Wien sein Orgien-Mysterien-Theater. Er kultiviert ein sehr spezielles, ja dionysisches Verhältnis zu Essen und Trinken. Dabei ist Theater für ihn aus dem Vollen geschöpfte Realität, eben kein Simulationsspiel, sondern pure Lebenspraxis. Tiere werden geschlachtet. In Strömen fließt Blut, und auch der Geruch ist echt. Als Dramatiker führt Nitsch den Vorgang des Tötens uns nicht nur live vor Augen. Vielmehr besteht er auch darauf, dass der gute Geschmack des Fleisches seine Verbindung zum Tod eines Tieres bewahrt. Ein wichtiger Aspekt seines Theaters ist, das die geschlachteten Tiere nach den Aktionen auch verzehrt werden. Sie werden folglich doppelt gebraucht. Sowohl für die eigentlich Aktion als auch als Nahrungsmittel. Über das Verhältnis von Kunst und Essen sprach mit Hermann Nitsch Heinz-Norbert Jocks.

*

Heinz-Norbert Jocks: Wie denken Sie das Verhältnis von Essen und Kunst?

Hermann Nitsch: Unabhängig davon, dass in meinem Mysterien-Theater gegessen und getrunken wird, gibt es ein mythisches Leitmotiv, ausgedrückt durch Geschmacks- und Geruchswerte und realisiert zuletzt in Prinzendorf. Da konnte man in einem laborartigen Raum zu den Geschehnissen die jeweiligen Geschmacks- und Geruchsmotive registrieren. Doch nicht um Sättigung, sondern um die analytische Vermittlung tatsächlicher sinnlicher Eindrücke ging es da. Poesie ereignet sich durch sinnliche Empfindungen.

Welche Bedeutung hat die Mahlzeit?

Meine mehr oder weniger sakral gemeinte Arbeit ist vom Kultischen beeinflusst. Denn alles, was geschieht, zielt auf den Aufbau einer kultisch-ästhetischen Mahlzeit. Es wurden immer nur minimale Mengen verkostet…

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von Heinz-Norbert Jocks

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