Kapital Heimat

4. Februar 2016 · Aktionen & Projekte

„Erst kommen die Künstler, dann die Bagger“, kommentierte schon in den 1980er Jahren ein Beobachter die Sanierungspolitik in den Großstädten. Mit einer ersten Welle der städtebaulichen Umrüstung wurde seinerzeit marode Altbausubstanz aufgehübscht und mit zeitgemäßer neuer Sanitär- und Heiztechnik ausgestattet. Was wir heute als „Gentrifizierung“ erleben, ist indessen eine zweite Welle mit Maßnahmen einer Luxusmodernisierung, die dann die Immobilienpreise und die Mieten nach oben treibt. Die alteingesessene Bevölkerung kann sich künftig dort keine Wohnung mehr leisten und wird in andere Viertel verdrängt, und auch die Künstler, die den Investoren anfangs zur urbanen Belebung und Aufwertung des Viertels willkommen waren, verlieren im Zuge dieser Gentrifizierung ihre bislang noch halb halbwegs erschwinglichen Ateliers in Werkstatträumen und kleinen Ladenlokalen. „Wie gehen sie mit diesen problematischen Entwicklungen um? Wie nutzen Künstlerinnen und Künstler ihre Möglichkeiten der Öffentlichkeit und wie lassen sie ihre eigenen Erfahrung von Gentrifizierung in ihre Arbeit einfließen…“, fragt die Berliner Künstlerin Christina Paetsch. Sie hat Kollegen eingeladen, „künstlerische Strategien und urbane Interventionen“ zum Thema „Kapital Heimat“ zu entwickeln. Denn viele alteingesessene Bewohner, die jahrzehntelang in ihrem vertrauten Viertel lebten und arbeiteten, empfinden die Verdrängung als Verlust an Heimat, auch wenn das neue Domizil am Stadtrand nur 10 km von der alten Wohnung entfernt ist. Doch es gäbe nun mal „kein Menschenrecht auf Wohnen im Kiez“, kontern die Investoren zynisch, und die „Milieuschutzsatzungen“ der Kommunen sind nur ein unzureichendes Instrument, um soziale Verdrängung zu verhindern: bis nämlich ein Stadtviertel von den Verwaltungen als „Verdachtsgebiet“ ausgewiesen ist und statistische Erhebungen vorgenommen wurden, vergehen oft Jahre. „Der rasche Wandel von Quartieren, gesteuert durch Kapitalinvestitionen ohne Rücksicht auf Kulturen und anwesende Bewohnerinnen und Bewohner, angetrieben von Gier und Macht, sind der Hintergrund der künstlerischen Beiträge. Mit heiter ironischen Mitteln, Satire bis hin zu realen Dokumentationen, der oft drastischen Geschichten, spannt sich der Bogen der gezeigten Arbeiten.“ Die Ausstellung läuft bis zum 13. Mai 2016 im Berliner Projektraum des Deutschen Künstlerbundes in der Markgrafenstr. 69. Künstlerliste: Winfried Baumann, Stefan Fahrnländer, Pia Lanzinger, Christina Paetsch und Transparadiso – Barbara Holub/ Paul Rajakovics. www.christina-paetsch.de


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