Lenin-Kopf

17. März 2016 · Kulturpolitik

Ein Berliner Politikum: Ab April 2016 wird der Kopf einer einstmals 19 m hohen Lenin-Statue in der Zitadelle Spandau ausgestellt, als Exponat der Werkschau „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“. 1970 hatte der Präsident der sowjetischen Akademie der Künste, Nikolai Tomski, die Skulptur aus ukrainischem Granit zum 100. Geburtstag des russischen Revolutionsführers entworfen. „Es war nicht das erste Lenin-Denkmal in der DDR, aber es sollte das größte und mächtigste im ganzen Land werden“, dokumentiert der Berliner Atavist-Verlag über die Geschichte des Denkmals, dessen Aufstellung der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht den sozialistischen Brüdern in Moskau bereits 1961 versprochen hatte – im Jahr des Mauerbaus. Als Tomski mit seinem Auftrag fertig war, bestand der steinerne Lenin aus 110 Granitblöcken, die jeweils vier bis sechs Tonnen wogen, und deren Transport von Moskau nach Berlin sich als äusserst schwierig gestaltete: „Es war ein harter und langer Winter, und ein paar der Laster mit Lenins Körperteilen blieben in Polen in Schneewehen stecken und irrten beim Versuch, geräumte Straßen zu finden, wochenlang durchs Land. So kam es, dass obere Teile des Denkmals bereits in Ost-Berlin eingetroffen waren, während untere noch fehlten“ (atavist-Verlag). Die Statue stand dann in Ost-Berlin auf dem Lenin-Platz (heute „Platz der Vereinten Nationen“) und galt bis 1989 als künstlerisches Vorzeige-Objekt der DDR. Doch nach der Wende hatte man sich am Genossen Lenin satt gesehen, und die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain beschloss den Abriss. Mit Menschenketten und Blockaden versuchten nicht nur hartgesottene Alt-Kader der untergegangenen SED das Denkmal zu retten, sondern auch viele andere, für die die Demontage der Plastik ein Indiz für einen schnöden Umgang mit der Geschichte bei der „Abwicklung der DDR“ war. Das zerlegte Denkmal wurde dann für ein Vierteljahrhundert an einem geheimen Ort in der Seddiner Heide in einer alten Kiesgrube verbuddelt: es wuchs dort Gras im wahrsten Wortsinn über die Geschichte des Marxismus-Leninismus. Als die Kuratoren für die jetzige Ausstellung den Kopf wieder ausgraben wollten, sprach sich der Berliner Senat zunächst gegen eine Bergung aus. Über die Begründung, man wisse gar nicht genau, wo sich die Denkmalreste überhaupt befänden, hagelte es Spott und Häme. Als der Senat schließlich einknickte, musste erst noch aus Naturschutzgründen die gemeine Zauneidechse umgesiedelt werden, bis endlich der Hebekran aufgestellt werden konnte. Die Zitadelle in Spandau ist nicht nur ein historisch bedeutsamer, sondern auch ein bizarrer Ausstellungsort: hier wurden in den 1960er Jahren die Edgar Wallace-Krimis „Der Bucklige von Soho“ und „Der Rächer“ gedreht.


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