Mole Room

17. Februar 2016 · Aktionen & Projekte

„Mole People“ nennt man in New York die „Tunnelmenschen“, die dort in den U-Bahnschächten leben – bereits Ende der 1980er Jahre schätzte man dort ihre Zahl auf etwa 5.000. Auch in anderen Großstädten wie Bukarest gibt es „Mole Rooms“ im U-Bahnsystem, in denen Obdachlose hausen und elternlose Kinder. Manchmal haben auch Jugendbanden dort ihre Verstecke. Die düstere Unterwelt hat Drehbuchautoren immer wieder zu Szenarien inspiriert, in denen die Filmregisseure wilde Verfolgungsjagden durch die Tunnelschächte inszenieren oder die „Mole People“ als eine geheimnisvolle Untergrund-Gesellschaft darstellen. Offensichtlich lassen sich aber auch Künstler zu Interventionen in den Hohlräumen zwischen den U-Bahnröhren inspirieren: kürzlich entdeckte man in der Berliner U-Bahn ein komplett eingerichtetes Wohn- und Schlafzimmer. Bereits 2012 hatten in Wien unbekannte Künstler in einem Betriebsraum der U-Bahn ein Kinderzimmer inszeniert: „Neben Möbeln und Spielutensilien waren dort Nahrungsmittel, Bekleidung und Dinge des täglichen Gebrauchs zu finden. Teppich und Tapete sowie Bilder und Poster sorgten für eine beinahe ‘gemütliche’ Atmosphäre.“ Das Zimmer wurde dann „verschlossen und anschließend nie wieder aufgesucht.“ 2014 erschien dazu ein Interview im österreichischen Kulturmagazin „The Gap“; außerdem publizierten die Künstler ein Video auf youtube. Während sich die Berliner Verkehrsbetriebe BVG nicht zu dem entdeckten Zimmer äussern und sein Sinn und Zweck unklar bleibt, lieferten die Wiener Künstler zu ihrer Intervention eine ausführliche kunsttheoretische Begründung: „Eine künstlerische Intervention vor Ort hat eine andere Präsenz, als ein medial gefilterter Ansatz wie etwa eine rein filmische Aufarbeitung. An diesem Raum gehen Tag für Tag hunderte Menschen vorbei. Das ist eine real existierende Situation, nur eine Handbreit entfernt vom Alltag der Menschen in Wien – kein Filmstudio. Das Dokumentationsvideo wurde zu einer Art Prothese des Raums, die die Entdeckung dieses Ortes eventuell erst ermöglicht und ihn einem größeren Publikum näher bringt… Ein Kinderzimmer bietet aber einen sehr scharfen Kontrast zur Betonarchitektur des Raumes. Es ist freundlich eingerichtet und bildet so einen naiven Kontrapunkt zur bedrückenden Ästhetik der Umgebung. Der Anblick des Raums ist gerade deshalb so aufwühlend, weil die Installation die Fremdbestimmung aufgreift, die ein Kind durch Erwachsene tagtäglich erfährt…“


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