Potsdam: Querelen um Garnisonkirche

18. März 2020 · Kulturpolitik

Im Sommer 2022 soll der Turm der Potsdamer Garnisonkirche wieder hergestellt sein, 90 Meter hoch und mit einer Aussichtsplattform in 57 Meter Höhe. Umstritten ist die Rekonstruktion des Turmes seit Jahren in der Potsdamer Lokalpolitik, und darüber, ob auch noch das Kirchenschiff originalgetreu wieder aufgebaut werden und dafür das neben dem Turm befindliche Rechenzentrum aus DDR-Zeiten abgerissen werden soll, herrscht noch mehr Zwist: Für viele ist die Garnisonkirche nämlich „ein Sehnsuchtsort der Rechten“ und ein Symbol für eine unheilige Allianz von preußischem Staat, Kirche und Militär – in einem offenen Brief kritisierten über 100 Architekten, Wissenschaftler und Künstler das Wiederaufbauprojekt, darunter auch Klaus Staeck und Hans Haacke. Am 21. März 1933 hatten nämlich Reichspräsident Paul von Hindenburg und Reichskanzler Adolf Hitler in der Garnisonkirche als Ersatzort für den durch einen Brandschlag beschädigten Berliner Reichstag zusammen die Parlamentseröffnung zelebriert, von den Nazis propagandistisch geschickt inszeniert als Schulterschluss der alten preußisch-konservativen Machtelite mit dem neuen Braunhemd-Regime. 1945 wurden Kirche und Turm bei einem Luftangriff zerstört. Die SED beschloss 1968 die Sprengung der Ruinen und an ihrer Stelle den 1971 eingeweihten Bau eines Rechenzentrums. Dort betreiben heute ca. 200 Künstler ein Kreativzentrum. Die „Grüne Jugend von Potsdam“ will dieses unbedingt erhalten: „Diese funktionierende Einrichtung sollten wir nicht zerstören, um ein kostspieliges Prestigeprojekt wieder aufzubauen“, lässt sich deren Sprecherin Hanna Große Holtrup in der „Märkischen Allgemeinen“ zitieren. Dort einen „Lernort für die Demokratie“ zu etablieren wünscht sich auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Schneider. Die Stiftung Garnisonkirche wiederum will auf dem Grundstück hinter dem Turm keine Jugendbegegnungsstätte: der Streit geht weiter. Immerhin will laut „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ die Stiftung zumindest für den Turm bis zum Sommer 2020 schon mal ein Ausstellungskonzept vorlegen: „Die neue Ausstellung solle zudem eng mit der geplanten pädagogischen Arbeit im Kirchturm ‘verzahnt’ werden, sagte der Stiftungsvorstand. Zum 1. April werde dazu eine „fachkompetente Person“ ihre Arbeit aufnehmen.“


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