Michael Nungesser
Alfredo Jaar
»The way it is. Eine Ästhetik des Widerstands«
Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin, 15.6. – 19.8.2012; Berlinische Galerie, Berlin, 15.6. – 17.9.2012; Alte Nationalgalerie, Berlin, 15.6. – 16.9.2012
Cien años de soledad [no realmente]“ (1985), eine für den Galerieraum geschaffenes Werk in Neonschrift, spielt auf Gabriel García Márquez’ berühmten Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“ an. Der Zusatz „nicht wirklich“ in eckigen Klammern verweist listig darauf, dass Lateinamerika mitnichten isoliert lebt(e), sondern der große Nachbar im Norden oft seine Finger im Spiel hat. Diese Arbeit stammt von Alfredo Jaar, einem 1956 in Santiago de Chile geborenen Künstler, der damals schon wie heute in New York lebt. „THIS IS NOT AMERICA“ war dann zwei Jahre später als riesige Leuchtschrift von ihm am Times Square in New York zu lesen. Hier wie dort das gleiche Dilemma: die USA hält sich für Amerika, sprachlich wie real.
Alfredo Jaar, einer der klügsten und nachhaltigsten, multimedialen Politkünstler der Gegenwart (Teilnahme an verschiedenen Biennalen und der documenta zeugen davon), konnte nun in Berlin an drei Orten seine Projekte retrospektiv vorstellen, eingeladen vom Realismusstudio der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) unter Leitung von Frank Wagner, der schon 1992 den damaligen DAAD-Gast Jaar für eine Einzelausstellung gewinnen konnte. Nun waren Jaars Arbeiten in drei Ausstellungshäusern zugleich zu sehen.
In der NGBK standen Jaars frühe Arbeiten aus Chile im Zentrum, wo er Architektur und Film studierte und mit seiner künstlerischen Arbeit die Zensur des Militärregimes subtil-subversiv unterlief. Zu ihr gehören sein digital zersplittertes Tableau als verzweifelter Künstler („Self Portrait“,…