60. Venedig Biennale: Gespräche
Anna Jermolaewa
Subversive Strategien
Sabine B. Vogel: Bei der ersten Ankündigung für deine Nominierung im Januar 2023 hieß der Titel deines Beitrags für den Österreichischen Länderpavillon Eine Sprache des Widerstands. Gilt das Thema jetzt noch unter dem aktuellen Titel Rehearsal für Swan Lake?
Anna Jermolaewa: Im Großen und Ganzen gilt der Titel und das Konzept noch. Aber das war ja letztes Jahr. Ich habe seither intensiv mit meiner Kuratorin Gabriele Spindler an dem Beitrag gefeilt. Ich zeige jetzt fünf Arbeiten, die Großteils von subversiven Strategien in diktatorischen Regimen handeln. Dabei geht es oft auch um Formen des Lebens. Und Überlebens. Davon handelt auch meine Arbeit mit den Röntgenaufnahmen. Als die westliche Musik in der UdSSR in den 1950er und 1960er Jahren verboten war, wurden technische Methoden gefunden, das Verbot zu umgehen. Die wenigen eingeschleusten Platten wurden auf aus Spitälern gestohlenen Röntgenaufnahmen kopiert.
Wie war das möglich?
Es brauchte Plastikunterlagen, weswegen Röntgenaufnahmen perfekt waren. Die wurden ganz normal auf Plattenspielern abgespielt, aber man musste eine andere Geschwindigkeit einstellen. Leider sind die nicht sehr robust und haben keine lange Lebensdauer.
War das damals nicht gefährlich, solche Produkte zu kaufen?
Sicherlich! Man hat die auf dem Schwarzmarkt gekauft und irgendwie unter dem Mantel oder im Ärmel versteckt. Wenn man erwischt wurde, musste man dafür ins Gefängnis gehen. Nur weil man die Beatles hören wollte! Das ist jetzt in Russland gerade wieder ganz wichtig, wo man sich nicht mehr frei äußern kann. Wie kann man da Widerstand üben, mit welchen –…