Heinz Schütz
Ed Ruscha: 50 Jahre Malerei
»Zwischen Scylla und Charibdis«
Haus der Kunst, München, 12.2. – 2.5.2010
Vor mehr als dreißig Jahren, im Jahr 1979, malte Ed Ruscha das Textbild „I Don´t Want No Retrospective“. Gegenwärtig zeigt das Münchner Haus der Kunst, im Gegensatz zu dem Satz auf dem Bild, eine groß angelegte Ed-Ruscha-Retrospektive – sie war zuvor in Londons Hayward Gallery zu sehen und wird im Mai nach Stockholm ins Moderna Museet wandern. Es wäre naiv und ginge an Ruschas Kunst vorbei, die ins Bild geschriebene Ablehnung als persönliches Bekenntnis zu lesen. Näher schon kommt man seinen Textbildern, wenn man sie als Bedeutungsexperimente betrachtet, bei denen einzelne Wörter oder ganze Sätze in Bilder übertragen und damit auf den Kunstsockel gehoben werden, um sie gleichsam einem Hitzetest zu unterziehen. – Ruscha: „Worte haben für mich eine Temperatur. Wenn sie einen gewissen Punkt erreichen und heiße Worte werden, dann sprechen sie mich an.“ – Und doch, auch dann, wenn „Keine Retrospektive“ nicht als unmittelbares Statement des Künstlers zu verstehen ist, gibt der Satz zu denken.
Kunst, die heute ausgestellt wird, passiert eine Art von kuratorischer Scylla und Charybdis. Die Scylla besteht darin, dass der Kurator so weit als nur möglich hinter den Kunstwerken zurücktritt und verschwindet, Charybdis heißt: der Kurator benützt die Kunst unbekümmert zur Darstellung seiner eigenen Ideen und Konzepte. Die Ruscha-Ausstellung neigt zur Scylla, was zur Folge hat, dass sie Konventionen und Implikationen, die mit Retrospektiven traditionellerweise verbunden sind, einfach reproduziert. Retrospektiven beziehen gewöhnlich die Kunst auf das ins Zentrum gerückte…