Holger Wüst
Kritisches Denken braucht Zeit und Raum
Interview von Sabine Maria Schmidt
Holger Wüst ist Autor feinstziselierter digitaler Bildmontagen, die die Strategien und Narrative von Wimmelbildern und Weltlandschaften verknüpfen. Bei Wüsts fotografischen Bildern wird das Auge zur Kamera. Eine Vielzahl an visuellen Informationen und Referenzen lässt sich derart wie Schnappschüsse aus dem Alltag oder ein Film aus unterschiedlichsten Szenen zusammenstellen und unterschiedlich interpretieren. Wüsts Bilder als Versuch einer Welterfassung lehren das Schauen und Erschauern und sind ein Plädoyer für die Widerständigkeit innerhalb und trotz einer Komplexität der Verhältnisse.
Sabine Maria Schmidt: Beginnen wir mit einer deiner umfangreichsten Bildmontagen, die erstmals 2018 auf der Ausstellung Im Zweifel für den Zweifel im NRW-Forum Düsseldorf gezeigt wurde. Zu sehen ist ein Universitätshörsaal aus der Perspektive eines Lehrenden. Es gibt gefüllte Reihen ohne Köpfe und Körper, aber schwebende Hände und Arme, die Geräte bedienen, darunter Laptops, Tablets, Handys, Notizgeräte und unzählige Wandtexte. Ich muss gestehen: ein solch schräges und komplexes Bild habe ich lange nicht gesehen. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Holger Wüst: Ich wollte eine Kombination von realem Leben und online-Dasein. Ein Hörsaal sollte gleichzeitig mit diversen Diskussions- und Austauschgruppen aus den sozialen Netzwerken verbunden werden. Das hat natürlich eine längere Geschichte. 2014 wurde der AfE-Turm in Frankfurt spektakulär gesprengt; ein ehemaliger Ort der Gesellschaftswissenschaften. Flo Maak und ich planten eine Abschiedsausstellung vom AfE-Turm, in dem wir auch studiert hatten.
Trotz großzügiger Förderungen kam diese leider nie zustande, da die ABG Holding, uns damals unerfüllbare Auflagen in den Weg gestellt hatte. Das…