HANS-DIETER FRONZ
“Gegen den Strich”
Neue Formen der Zeichnung
Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, 17.7. – 26.9.2004
Kein Tag ohne Linie – Katharina Hinsbergs in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden ausgestellte Zeichnungsserie führt die klassische Maxime des Zeichners nicht ohne leise Ironie im Titel (“Nulla dies sine linea”, 2001). Ausgangspunkt der Serie war eine mit dem Lineal gezogene und dann immer wieder von Hand gepauste Linie, wobei als Vorlage stets die zuletzt gezeichnete Pause diente. Je weiter sich die Linie vom Anfang entfernt, desto unruhiger wandert sie übers Papier, um sich zuletzt den bizarren Linienverläufen von Seismogrammen zu nähern. Gestapelt fügen sich die annähernd tausend Blätter zur konzeptuellen Plastik, einem kubischen Block.
Seit Robert Rauschenberg Mitte der fünfziger Jahre tabula rasa gemacht und den Boden für neue Entwicklungen in der Zeichnung bereitet hat, indem er eine Arbeit de Koonings einfach ausradierte (“Erased de Kooning Drawing”), hat die traditionell subalterne Kunstgattung im Ansehen der Kunstöffentlichkeit, aber auch in einem buchstäblichen Wortsinn an Terrain gewonnen. Öffneten sich mit der Minimal Art und Konzeptkunst der Sechzigerjahre doch die Schleusen zu ihrer völligen räumlichen und medialen Entgrenzung. Immer kühner hat sich die Zeichnung seitdem von der Fläche in den Raum vorgewagt und mit den unterschiedlichsten Medien vermischt: der Skulptur und Installation, der Performance, Videokunst und Land Art.
Die Baden-Badener Ausstellung dokumentiert diese Entwicklung in eindrucksvollen Beispielen. Und zeigt, dass “Gegen den Strich” (so ihr Titel) gebürstet, die Zeichnung auf derlei Abwegen zu inspirierenden Setzungen fähig ist. Von einem dienenden ist sie zu einem Reflexionsmedium avanciert, das Fritz Emslander zufolge die “inneren…