Berlin
Illiberal Arts
Haus der Kulturen der Welt (HKW) 11.09.–21.11.2021
von Ingo Arend
Wer die Treppe zum zentralen Ausstellungsbereich des HKW herunterschreitet, sieht zur Rechten als erstes ein Skelett, das in der Luft hängt: Die Gliedmaßen aus Gips, gelb, blau und violett bemalt, durch Schnüre verbunden, im Bereich des Beckens sind die Knochen durch gegeneinander versetzte, weiße Zahnräder ersetzt. Es gibt nur einen Punkt im Raum, von dem die fragmentierte Figur wie ein zusammenhängendes Gerippe erscheint.
Dass dieser „gefallene Engel“ den „Zerfall der kapitalistischen Öffentlichkeit“ symbolisiert, wie Frank Engster, ein Berliner Philosoph, in einem Guidebook mit Anspielung auf Walter Benjamin über die zentrale Skulptur schreibt, dürfte unvoreingenommenen Besucher*innen der Ausstellung nicht unmittelbar einsichtig sein. Die Arbeit des Künstlers Stephan Dillemuth, Professor an der Akademie der Bildenden Künste in München, wirkt eher wie ein klassisches Todessymbol, eine Marionettenfigur oder eine der berühmten Crash-Test-Dummies oder wie ein Symbol des beschädigten Lebens. Womit sie dem Thema der Schau vermutlich am nächsten kämen.
„Illiberal Arts“, das von Anselm Franke, dem Bereichsleiter Kunst und Film im HKW und Kerstin Stakemeier, Publizistin („Bildproteste“, 2019) und Professorin an der Nürnberger Kunstakademie, konzipierte und kuratierte Projekt, ist zunächst einmal eine spannende Provokation, weil es Kunst, den Symbolbegriff für Freiheit schlechthin, plötzlich mit „illiberal“ in Verbindung bringt. Die Begründung der Kurator*innen dafür bleibt freilich widersprüchlich. Einerseits brächen, so ihr kuratorisches Statement, mit der fortschreitenden Desintegration der liberalkapitalistischen Weltordnung auch in der Kunst deren gewalthaltigen Widersprüche auf und zerrissen den „Sonderstatus der Kunst – als ob es vor dem (Neoliberal-)Kapitalismus keine Kunst gegeben habe….