Fragen zur Zeit
Wo der Betrug am nächsten, wächst das Misstrauen auch
VOM UMGANG MIT DER VERGANGENHEIT UND DEM VERLANGEN NACH ERNSTHAFTIGKEIT
von Michael Hübl
Vergangenheit kann richtig fesch sein. In der österreichischen Bundeshauptstadt werden gerade Postkarten mit historisch aufgeladenen Motiven verramscht, deren mezzosentimentaler Klischee-Ballast mit schmeichelnden Farben und weiblicher Haut poppig-peppig aufgelockert wurde: ein Blick aufs Obere Belvedere vorbei an rosazarten Stockrosen-Blüten, Menschen im Fiaker (Blusen und Pullover: rosafarben) oder eine Frau, die nur mit einem schwarzen Top und kurzen Pants bekleidet am Rande eines Brunnens sitzt. Mit der linken Hand umfasst sie ihre nackten Beine, mit der rechten greift sie in ihr fülliges rotbraunes Haar. Ihren Blick richtet sie auf den Hochstrahlbrunnen, der im Zusammenhang mit der 1. Wiener Hochquellwasserleitung errichtet wurde und dessen steil aufsteigenden, Gischt sprühenden Fontänen sich scheinbar mit dem flockigen Gewölk im hellblauen Himmel vereinen.
Im Hintergrund, oben auf einer 20 Meter hohen Stele, ragt stramm eine Figur empor. Golden glänzt ihr Schild, gülden gleißt die Spitze ihrer Fahnenstange. Es sind die Attribute eines als Bronzeplastik geformten Soldaten der Roten Armee, dem hier stellvertretend für seine Kameradinnen und Kameraden sehr rasch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein Denkmal gesetzt wurde – das „Denkmal zu Ehren der Soldaten der Sowjetarmee“. Die Inszenierung des Postkartenmotivs überspielt seine historische Bedeutung. Die auf genießerische Entspannung getrimmte Ansicht des Schwarzenbergplatzes widerspricht den Leidensaspekten, die mit dem Monument konnotativ verbunden sind. Zu ihnen zählen die 17.000 Rotarmisten, die beim so genannten Kampf um Wien ihr Leben ließen.1
Ihrer soll an diesem Ort primär…