Riehen
Jeff Wall
Fondation Beyeler 28.01.–21.04.2024
von Hans-Dieter Fronz
Zwei ikonische Werke Jeff Walls, die als Werbemotive für die eindrucksvolle Retrospektive in der Fondation Beyeler dienen, müssen den Eindruck erwecken, es handle sich um Momentaufnahmen, besser noch: um Schnappschüsse. Auf der Startseite des Internetauftritts des Museums in Riehen bei Basel erwartet den User eine Abbildung des monumentalen, in der Breite annähernd vier Meter messenden Großbild dias in Leuchtkasten A Sudden Gust of Wind (after Hokusai) von 2017. Ein Windstoß erfasst vier Menschen in wolkengrauer Landschaft. Zwei Männer halten sich mit der Hand geistesgegenwärtig die Baseballkappen auf dem Kopf fest, während die Sturmböe einer Frau aus der Papierhülle in ihrer Rechten einen ganzen Stoß Blätter entrissen hat. In wilder Formation wirbeln sie hoch durch die Luft. Ein Mann mit flatternden Beinkleidern und Mantelschößen schaut dem entfesselten papiernen Treiben fasziniert zu.
Als Plakatwerbung in den Straßen tritt zu der spektakulären Aufnahme eine nicht minder eindrückliche Fotografie. Milk, ein Frühwerk von 1984, zeigt einen jungen Mann in transitorischer Körperhaltung. Halb kniend, halb am Boden sitzend hält er in der rechten Hand eine Milchtüte – aus der, wohl infolge einer ruckartigen Bewegung der Hand, Milch ausgetreten ist. Die fotografisch in der Luft zum ausdrucksstarken Informel erstarrte weiße Flüssigkeit kann als Abbild der Gemütslage, des seelischen Aufruhrs in dem schick gekleideten und dennoch deklassiert, verzweifelt wirkenden jungen Mannes gedeutet werden. Im finsteren Gesichtsausdruck spiegeln sich gleichermaßen wilde Entschlossenheit und geballte Ohnmacht. Die noble Eleganz der Kleidung ist gepaart mit der Erscheinung einer abgerissenen Existenz. Dass dieser Mensch einmal…
