vorheriger
Artikel
nächster
Artikel
Titel: Kunst und Wirtschaft · von Ramón Reichert · S. 80 - 89
Titel: Kunst und Wirtschaft , 2010

Ramón Reichert
Medienkunst, Finanzökonomie und Neue Technologien

Im Jahr 2006 etabliert die transdisziplinäre Künstlergruppe Derivart 1 mit ihrer in der Casa Encendida in Madrid kuratierten Ausstellung „Derivados, Nuevas visiones financieras“ ein neues Label auf dem Kunstmarkt: die Finance Art. Ihre Ausstellung ist zugleich künstlerische Programmatik und Branding-Strategie: sie erkundet die Möglichkeiten der künstlerischen Aneignung von Medien, Technologien und Praktiken des Finanzmarktes und subsumiert diese dem Markenversprechen einer aufmerksamkeitsfördernden Wortschöpfung. In dem von Derivart vereinnahmten Kunstgenre der Finance Art2 zeichnen sich zwei gewichtige Tendenzen ab, die sich sowohl in thematischer als auch konzeptioneller Hinsicht unterscheiden lassen.

Ein maßgeblicher Ansatz besteht darin, Strategien zu entwickeln, mit denen Künstlerinnen und Künstler in die Lage versetzt werden können, sich das Wissen der internationalen Finanzmärkte auf aktive Weise anzueignen.3 In dieser Blickweise auf die Wissenstechniken der Finanzwelt geht es konkret darum, sich mit der Herstellung von Visualisierungs- und Präsentationstechniken, Börseninformationen, Chartanalysen und Computertechnologien zu beschäftigen. Im Prozess der künstlerischen Reflexion werden diese Wissenstechniken der Finanzmärkte in ihrer Plausibilität und ihrem scheinbar technisch-neutralen Funktionieren in Frage gestellt. Mit ihren Methoden der De- und Rekontextualisierung machen sie die Antagonismen und Machtansprüche des Finanzmarktwissens sicht- und sagbar. Im Zentrum dieser künstlerischen Praxis stehen Metareflexionen, die über einen Ausstellungswert verfügen und als Kunstobjekte identifiziert werden können.

Richtungsweisend sind auch Kunstprojekte, die sich mit der Performativität der Finanzmärkte auseinandersetzen. Sie verstehen die Finanzökonomie in erster Linie als Resultat performativer Prozesse.4 Dazu gehört, dass Akteure die ökonomischen Praktiken in der Finanzwelt anleiten und auf eine spezifische Weise konstituieren. Diese Sichtweise ermöglicht einen anderen…


Kostenfrei anmelden und weiterlesen:

  • 3 Artikel aus dem Archiv und regelmäßig viele weitere Artikel kostenfrei lesen
  • Den KUNSTFORUM-Newsletter erhalten: Artikelempfehlungen, wöchentlichen Kunstnachrichten, besonderen Angeboten uvm, jederzeit abbestellbar
  • Exklusive Merklisten-Funktion nutzen
  • dauerhaft kostenfrei