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Titel: Zeichen zur Zeit III · von Reinhard Ermen · S. 172 - 175
Titel: Zeichen zur Zeit III , 2010

Reinhard Ermen
Silvia Bächli

Ihre Linien sind wie Lebewesen. Mit Gouache, Tusche (ganz selten) Oelpastellkreide, fließen sie über das Blatt, der Pinsel strukturiert sie in zahllose, hauchzarte Adern. Das Material, warum nicht: Das grau-erdige ‚Blut’ verbraucht sich im Vollzug, die Linie verdurstet, wird fragil, haucht sich aus im Weiß des Papiers. Mit einem erneuten Atemzug geht es weiter. An dieser essentiellen Lineatur, an den gleichsam lebenden Pinselstrichen erkennt man Silvia Bächli zuallererst. Sie arbeitet mit dem naturgegebenen Ein- und Ausatmen der Linien und initiiert damit gleichzeitig so etwas wie ein ständiges mediales Selbstgespräch beim Zeichnen, das sich freilich niemals in den Vordergrund schiebt. Auch was sich in ihrer Arbeit gelegentlich wie Versuchsanordnungen beschreibt, will nicht die kalte Analyse sondern lediglich ein Weg zur Bildwerdung sein; etwa die vertikal, nebeneinander herab fallenden Striche, die wie an der oberen Bildkante aufgehängt erscheinen, oder die von einem Zentrum am Rande des Blattes (von da aus agiert die Zeichnerin) sich ausbreitenden Wellenbewegungen. Silvia Bächli erprobt den ihr möglichen Ambitus, sie ist (wie immer) indirekt anwesend. Es herrscht weder Abbildungsverbot noch Imaginationszwang, alles geschieht im notwendigen Abstand und doch immer wieder in Sichtweite zu den Dingen. Geschriebene Wörter („unvorhergesehens Schönes“) sind mit einem Mal da, und was Bächli beim Atelierbesuch über das Schreiben sagt: „Manchmal ist die Hand näher und manchmal der Kopf“, – das gilt womöglich für ihre gesamte Arbeit. Eine Erinnerung, etwas Gesehenes setzt den Pinsel in Bewegung, der dann wie von selbst weiterwandert. „Das. Das war es. Jetzt hat es begonnen. Es ist.“…


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