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Titel: Kunst und Wirtschaft · von Antke Engel · S. 106 - 111
Titel: Kunst und Wirtschaft , 2010

Antke Engel
Neoliberale Paradoxien queer gewendet.

Bilder von Sexualität und Ökonomie.

Zwei ältere Frauen in einer Umarmung, die auch ein verhaltener Tanz sein könnte. Die Spielbeine deuten an, dass eine Bewegung bevorsteht. Ein ausgelassenes Wirbeln? Die unwirtliche Umgebung, ein düsterer, verregneter Platz, über dem ein Stahlträger dräut, bremst diese Assoziation. Doch wen lassen die zwei Frauen in grauen Mänteln an alternde Witwen denken? Und wer sieht ein Lesbenpaar, das öffentlichen Raum für sich reklamiert?

Als Teil einer Werbung für das „Arts and Civil Society Program“ der Sparkasse Erste Bank bedient das Foto der tschechischen Künstlerin Milena Dopitová eine Strategie der mehrfachen Adressierung: Das Klischee der alten Jungfer kann bei den einen Mitleid, Bedauern sowie eine Gönnerhaltung hervorrufen und von anderen als Code lesbischer Sexualität gelesen werden. Insofern das beworbene Programm die privatwirtschaftliche Förderung zivilgesellschaftlicher und kultureller Praxen in Osteuropa anstrebt, wird die Idee forciert, dass Demokratieentwicklung durch Marktwirtschaft zu erreichen sei und zugleich mit Toleranz und Freiheitsgewinnen einhergehe.

Bemerkenswert ist, dass Frauen/Lesben für das Politische einstehen, und zwar ohne das Bild der „Mutter Nation, die ihre Söhne nährt“, aufzurufen. Doch die Botschaft ist zweischneidig: Nicht nur wird Demokratie an privates Kapital gebunden, es ist auch nahe gelegt, dass es Frauen sind, die der Demokratisierung bedürfen, und im gleichen Zuge werden die Demokratien Zentral- und Osteuropas effeminiert. Der Anzeigentext aktiviert das Persönliche als Vorbild des Politischen: „In jeder Beziehung zählen die Menschen“, heißt es unter dem Firmenlogo. Dieses Motto ist vielsagend in einer Zeit des Abbaus sozialstaatlicher und öffentlicher Leistungen, in der neoliberale Individualisierungsdiskurse die…


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