Reinhard Ermen
Michael Borremans
Etwas, das man (vorläufig) mit ‚Meisterlichkeit’ umschreiben könnte, springt sofort ins Auge. Figuren und Sachen, Räume und Landschaften sind exakt erfasst, bis in die kleinsten Details regiert eine faszinierende Sorgfalt. Michael Borremans beherrscht die Technik der Weißhöhungen, Wasserfarbe und Tusche schmiegen sich in die vom Bleistift angedeuteten Umgebungen. Trotz dieser Souveränität, die in der Beschreibung Vorbildlichkeit evoziert, ist das alles vom Akademischen weit entfernt, der Zeichner ist kein kalter Millimetermeister, allen seinen Bildern eignet Entwurfscharakter, eingebettet in eine brovirafarbene Chromatik, oft genug auf gefundenen oder sorgfältig aufbewahrten Papieren. Angesprochen ist eine selten gewordenen Kennerschaft, Bühne für diese Zimelien sind graphische Kabinette im gedämpften Licht, wo sich wenige Besucher über die Blätter beugen. Man schaut in eine Welt von gestern. Doch wann war gestern? Als man zur ersten Bestimmung eines Krankheitsbildes im Gesundheitsbrockhaus oder einem entsprechenden belgischen Pendant nachschaute, als die Welt noch in anderen stockfleckigen Handbüchern oder illustrierten Journalen ziemlich sicher aufgehoben war? Michael Borremans Vorlagen mögen aus solchen Quellen stammen, eine nostalgische Feier wäre indessen zu wenig, um die Faszination zu erklären, die von dieser Arbeit ausgeht. Der Archäologe gräbt im Unterbewusstsein der Gegenwart, in den überkommenen Beiläufigkeiten und Wunderkammern der Gründerväter. Die Bildfunde und deren Übersetzung durch Zeichenkunst mit all ihren vermögenden Ingredienzien werden durch wahnwitzige Montagen angespitzt, es findet ein reaktivierender Transport in ein irgendwie betroffenes Heute statt, wo die Fremdlinge staunend empfangen werden.
PEOPLE MUST BE PUNISHED schreibt eine Hand auf die Brust eines Knaben; vier Löcher oder Flecken auf dem Brustkorb scheinen die…