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Ausstellungen: Stuttgart/Berlin · von Martin Blättner · S. 373 - 374
Ausstellungen: Stuttgart/Berlin , 1991

Martin Blättner
Otto Dix

»Zum 100. Geburtstag«
Galerie der Stadt Stuttgart, 4.9. – 3.11.1991

Nationalgalerie Berlin, 23.11.1991 – 16.2.1992

Vom bisher relativ homogenen und kunsthistorisch unzulänglichen Bild des Otto Dix als eines Hauptvertreters der sozialkritischen und veristischen Malerei in den 20er Jahren wird man sich nach der Stuttgarter Retrospektive zum 100. Geburtstag wohl verabschieden müssen. Aus Rücksicht auf das Ganze wollten die Ausstellungsmacher nicht – wie so oft üblich – das Werk nach 1933 aussparen, obwohl es kaum in das gängige Schema von gesellschaftsbezogenen Real-Ismen paßt. Im Zeichen der Nachmoderne wurden vielmehr die eklektischen Wandlungsfähigkeiten eines Künstlers in der “Rolle des historischen Epigonen” neu entdeckt. Erstmals wurde Dix als Befreier vom “Stilzwang” und von “unhaltbar gewordenen idealistischen Ansprüchen” (Johann-Karl Schmidt) gefeiert. Heißt es also nunmehr, am Klischeebild des charismatisch mißverstandenen Proletariers Dix Retuschen vorzunehmen – womöglich die Aura des aufrüttelnden Demaskierers wieder abzudunkeln, um den heimlichen Nietzscheaner um so größer aufleuchten zu lassen? Sollte etwa der radikale Darsteller des Häßlichen und sozial Deformierten politisch absichtslose Studien um der Tradition des Memento mori willen und aus Protest gegen die Moderne betrieben haben? Wird man schließlich Dixsche Zitierlust künftig als einen der Zeit vorauseilenden Anachronismus werten müssen? Der Stuttgarter Rückblick vermochte zumindest mit einer labyrinthisch inszenierten Ruinenarchitektur (aus kaum kaschiertem Styropor) die Verunsicherung über eine mögliche Neubewertung des veristischen Expressionisten nicht zu schmälern. Diese erhält übrigens aus der inzwischen nicht mehr gespaltenen, sondern gesamtdeutschen Perspektive zusätzliches Gewicht. Der Dresdener Akademie-Professor Dix, der 1933 von den Nazis mit der Begründung entlassen wurde, er biete keine Gewähr,…



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von Martin Blättner

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