Durs Grünbein:
»So, wie die Kunst vom Auge beherrscht wird, ist Literatur vom Ohr völlig untrennbar«
Ein Gespräch von Heinz-Norbert Jocks
Über Durs Grünbein schrieb Gustav Seibt in der FAZ: “Seit den Tagen des jungen Enzensberger, ja, vielleicht seit dem ersten Auftreten Hugo von Hofmannsthals hat es in der deutschsprachigen Lyrik einen solchen alle Interessierten hinreißenden Götterliebling nicht mehr gegeben.” Für den 1962 in Dresden geborenen Georg-Büchner-Preisträger markieren Gallileis Vermessungen von Dantes Hölle die unheilvolle Entzweiung von sinnlicher Anschauung in den Künsten und den Formelabstraktionen der Naturwissenschaften. Er, der es liebt, “in das Stimmengewirr vieler Zeiten, in die Zitate und Sprachfetzen seiner Gegenwart so zu lauschen, daß die markantesten sich im Innenohr fangen”, glaubt nicht nur an die Intensität des Sprechens, die Energie des Bildes, sondern auch an die Zeugenschaft der Künste.
Aufschlußreich, daß sein Schreiben von Anfang an dem Theater und der Malerei nahestand. Erst später hat er, mit jedem Buch deutlicher, Literatur als Produkt einer Abtrennung von den darstellenden Künsten markiert. In einem Rückblick auf seinen letzten Auftritt im Kreis der sogenannten Autoperforationsartisten von 1990 (eine Künstlergruppe, die aus der Dresdner HBK hervorgegangen war) schrieb er: “Bei der großen Abschiedsgala in Paris anläßlich der Ausstellung L`autre Allemand hors de la mur (Das andere Deutschland außerhalb der Mauer) kam noch einmal alles zusammen, was Ruch und Irrsinn hatte. Zum allerletzten Mal sah man den Blutteig quellen und die frischen Schweineohren rosig aufblühen. Ich selbst saß in der schwarzen Panzerfahrerhose auf einem Podest und murmelte etwas Historisch-Intimes in ein Mikrophon, das ich in…