Werner Spies
Übergänge zwischen Literatur und Kunst
Über Ponge, Michaux, Lindner U.a.
Ein Gespräch von Heinz-Norbert Jocks
Der Pariser Vorortsbewohner Werner Spies, der neue Direktor des Musée National d’Art Moderne/ Centre Pompidou, ist so etwas wie ein Grenzgänger und in der Moderne beheimateter Gelehrter, der zwischen Berlin, Paris, New York, Venedig und allen Kunstmetropolen jettet. Vertraut mit Sarraute und Beckett und den Aufklärern, ebenso wie den Skeptikern gleichermaßen verpflichtet, hegt und pflegt er seine Liebe zur französischen Literatur seit jeher und führt wiederholt vor, wie bereichernd dies für das Schreiben über Kunst und Künstler sein kann. Er, der in Tübingen Kunstgeschichte, Romanistik und Philosophie studierte, gehört weltweit nicht nur zu den besten Picasso- und Max Ernst-Kennern, sondern schrieb auch Monographien über Vasarely, Albers, Bill, Christo, Botero und Warhol. Die Aufsätze, die er für die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” schrieb, wurden in fünf Bänden veröffentlicht. Über die Übergänge zwischen Literatur und Kunst, die er regelmäßig überschreitet, sprach mit ihm Heinz-Norbert Jocks.
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H.-N.J.: Sie schreiben sowohl über Literatur als auch über Kunst. Wo ergänzt sich beides?
W.S.: Nun ist die Kunst des 20. Jahrhunderts in hohem Maße kommentarbedürftig, und Kunstwerke erhalten selbst dort, wo sie gegenstandslos oder informell zu sein scheinen, nur dadurch Bedeutung und Leben, daß sie einen Kommentar hervorbringen. Dabei liefern diesen entweder die Leser/Betrachter oder die Künstler selbst. Beachtlich ist das Ansteigen der Künstlerschriften zu Werken in unserem Jahrhundert. Die Notwendigkeit, Kunst durch Schrift zu legitimieren, läßt sich nachweisen. Ein faszinierender Dialog zwischen Bild und Betrachter findet vor allem dort statt, wo er sich…