Friederike Mayröcker:
»Es kommt auf die Tagesdisposition an, ob mich die Außenwelt samt bildender Kunst interessiert«
Ein Gespräch von Heinz-Norbert Jocks
Friederike Mayröcker, Jahrgang 1924, ist so etwas wie ein “Paradiesvogel der Avantgarde”, der von Anfang an die Wonnen der Narration beargwöhnte und der klassischen Jugendliteratur Fremdartiges, englische Bücher, Gedichte und Märchen vorgezogen hat. Ihre Schreibanfänge fallen mit dem Kriegsbeginn zusammen, seitdem ist diese große Dichterin, deren Wiener Dauerwohnsitz im “Poesie-Reservat” liegt, in Prosatexten, Gedichten und Hörspielen fortlaufend auf der Suche nach neuen Wortkonstellationen.
Mit den Rezepturen des Surrealismus vertraut, montiert und collagiert sie und liebt Assemblagen. Sprache ist für sie Material, das einer ewigen Neubehandlung bedarf, zudem ein Mittel, sich auf die Welt der Erscheinungen einzulassen, und zwar im Rahmen des Autonomen. Auf dem Verschiebebahnhof der Wörter, denen sie Vieldeutigkeit und Offenheit abverlangt, herrscht nicht nur fröhliche Anarchie, sondern auch permanente Aufbruchstimmung ins Anderswo. Dabei suchen, wie sie sagt, “Wortreihen der ineinander verschränkten Sätze ihren Magnet wie Eisenspäne” und ist “Sehen” der Imperativ ihres Lebens und Schreibens.
Kein Zufall, daß sie zur bildenden Kunst, und da zuallererst zum Surrealismus, neigt. Ob sie nach Duchamps “Akt, eine Treppe hinabsteigend”, zu Goyas “Totgeweihten im Jupiterkarren” und “Dalís Honigschubladen” oder mit “Rembrandtpalette” oder “Andy-Warhol Tränen” poetisiert, ihre Arbeit an der Sprache, die sich an Bildern vorwärtsträumt, besteht aus Montieren, Probieren, Arrangieren, Kombinieren, Kopieren und Experimentieren.
Alles, was sie tut, ist ein Nachsehen, ein Nachspüren, ein Nachlesen und Nachhören. Das Bild verwandelt sich in Sprache, und diese wiederum in Bild. Ein Umwälzungprozeß, der es in sich hat. Über…