vorheriger
Artikel
nächster
Artikel
Titel: Kunst und Literatur II · von Sabine Fabo · S. 84 - 95
Titel: Kunst und Literatur II , 1998

Parallelprozeß Literatur: Joseph Beuys’ Zeichnungen zum »Ulysses«

Von Sabine Fabo
»Zeichnungen sind eine andere Form der Sprache«1

Das Werk von Joseph Beuys bewegt sich zwischen den Medien, trotz oder auch angesichts der Materialität von filzenen Fond-Arbeiten und Unschlitt-Blöcken, die den Inszenierungen des einstmals unbequemen Künstlers als anschauliches Argument für eine kunstbetriebsame Vereinnahmung dienen, diesmal ohne die störende Kommentierung eines erweiterten Kunstbegriffs. Der Konzentration auf ein ausstellbares Werk widerspricht ein künstlerisches Oeuvre, das sich stets in einem Spannungsverhältnis befand zwischen der Eigensinnigkeit eines vielschichtigen materialen Werks, das sich gegenüber diskursiven Annäherungen äußerst spröde verhält, und dem Konzept einer Sozialen Plastik, das die künstlerische Arbeit kontinuierlich begleitete und sich in Vorträgen und Seminaren niederschlug. Bereits das Nebeneinander der verschiedenen Diskurse, die Durchdringung der Werkebene mit subjektiven Äußerungen, die simultane Evokation von Begriff und Anschauung, Kunstwerk und plastischer Theorie, weisen auf einen “Parallelprozeß” hin, ein Begriff, den Beuys zur Charakterisierung verschiedener Ausstellungen und künstlerischer Statements nutzte.2 Beuys’ stark von Analogien und Grenzüberschreitungen geprägtes Denken charakterisiert sein gesamtes Oeuvre: Beuys spürt überall Wahlverwandtschaften auf, er vereinheitlicht die unterschiedlichsten Phänomene und Abläufe. Künstlerische Theorie und Praxis werden vor allem in der gedanklichen Zusammenführung von Zeichnen, Sprache und Denken parallel entwickelt. Der Modus des Schreibens als ein möglicher Ausdruck des Denkens wird des öfteren mit der prozessualen, nicht-diskursiven Entfaltung der Zeichnung verglichen, was in Äußerungen wie “Auch wenn ich meinen Namen schreibe, zeichne ich”3, “Die Zeichnung ist Verlängerung des Gedankens”4, “die Zeichnungen sind Denkformen innerhalb meiner skulpturalen Absichten”5 spürbar wird. Der Prozeß des Zeichnens zeigt in seinem zeitlichen…


Kostenfrei anmelden und weiterlesen:

  • 3 Artikel aus dem Archiv und regelmäßig viele weitere Artikel kostenfrei lesen
  • Den KUNSTFORUM-Newsletter erhalten: Artikelempfehlungen, wöchentlichen Kunstnachrichten, besonderen Angeboten uvm, jederzeit abbestellbar
  • Exklusive Merklisten-Funktion nutzen
  • dauerhaft kostenfrei