ROLAND SCHAPPERT
Tacita Dean
Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 12.10. – 21.12.2002
In den 60er Jahren war es kein Problem, den “Traum der herrschaftslosen Sprache” in die Kunst einzubringen, konkrete Utopien in Kunst und Gesellschaft gehörten zur Tagesordnung, das “semiologische Abenteuer” hatte längst begonnen. Wenn Tacita Dean Ende der 90er Jahre im Rahmen eines künstlerischen Projektes schreibt: “Meine Geschichte handelt von merkwürdigen Zufällen und davon, was man herbeiführen kann und was nicht”, dann wirkt das zunächst unpolitisch und wenig zielgerichtet. Bei der Betrachtung ihrer Arbeiten offenbart sich am Anfang eher eine Sehnsucht nach Bedeutung und Zusammenhang, ein konkretes Verlangen nach erfahrbarer Welt. Der neueste Film der multimedial arbeitenden Tacita Dean von 2002 heißt Section Cinema. Was ist zu sehen? “fig 12” eine Stuhlansammlung, “fig 1”eine karge Glühbirne in Porzellanfassung als Deckenlicht, “fig 2”eine leere Wand, wieder “fig 12”, diesmal aus einer anderen Perspektive, Chaos, Unordnung, Abstellkammer. Oder der Schriftzug “silence” vor weiß getünchter Backsteinwand, Lageratmosphäre. Der Betrachter des Films wird zum stillen Beobachter eines unbeschrifteten Kellereinganges, dann “departement des aigles” und schließlich“section cinema”. Also tatsächlich Broodthaers. Das Düsseldorfer Stadtmuseum mietet seit einigen Jahren jene Räume an, die Marcel Broodthaers bis Anfang der 70er Jahre als Archivraum und Filmvorführungsstätte dienten. Tacita Dean besuchte diesen fensterlosen Keller und filmte. Von M. B. sind nur noch die schablonenhaften Bezeichnungen an den Wänden und der Decke zu sehen. Heute verweisen seine typografischen Besetzungen in gewisser Weise ungewollt auf den deponierten Trödel des Stadtmuseums – Vitrinen, Modellschiffe, Tische etc., die hier vorübergehend eine Lagerstätte gefunden…