Heinz-Norbert Jocks
Zuhause oder auf Reisen
Hans Ulrich Obrist im Gespräch mit Heinz-Norbert Jocks
Hans-Ulrich Obrist, einer der angesagtesten jungen Ausstellungsmacher Europas, der in New York, Paris, Wien, Tokio, Bangkok oder Hamburg gearbeitet hat, ist Kurator am Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris. Nach einem Wirtschafts- und Politikstudium widmete er sich Anfang der 90er Jahre der zeitgenössischen Kunst. Seither publizierte er zahlreiche Bücher, darunter Gespräche mit Gerhard Richter, Christian Boltanski und Gilbert & George. Heinz-Norbert Jocks verabredete sich mit ihm auf der Terrasse einer Bar in der Nähe der Gare d`Austerlitz.
Heinz-Norbert Jocks: Wie verstehst Du Deine Rolle als Kurator?
Hans Ulrich Obrist: Das ist eine recht komplexe Frage: Da, wo sie sich nicht von selbst ergeben, geht es um das Herstellen von Verbindungen wie von Brücken zwischen den Disziplinen. Ausstellungen zu machen, ist nur ein Teil, vielleicht der Hauptteil meiner Tätigkeit. Am besten lässt es sich mit dem von Ballard geprägten Begriff des „junction maker“ umschreiben. Dass sich die unterschiedlichsten Leute, also Schriftsteller, Künstler oder Architekten treffen, die sich noch nicht kennen, spielt bezogen auf Ausstellungen eine große Rolle. Dass dabei reparcs entstehen, die, über die Ausstellung hinaus wirksam, Realität produzieren, ist mir ebenfalls wichtig. Nun steckt ja in „Kurator“ das Wort „curare“, was ja Werke einschließt. In einem Museum mit eigener Sammlung zu kuratieren, verlangt, dass man diese dabei im Auge behält. Da, wo ich arbeite, bildet eine solche denn auch das Rückgrat. Vor dem Hintergrund, dass wir in einer pausenlos beschleunigten Amnesie leben, ist die dynamische Erinnerung…