Hannover: Klage gegen Lüpertz-Fenster abgewiesen

16. Dezember 2020 · Kulturpolitik

Hannover sei „eine vor Sehenswürdigkeiten nicht eben überbordende“ Stadt, urteilte der Korrespondent Ulrich Exner in „Die Welt“, und so müsste den Einwohnern eigentlich ein Geschenk willkommen sein, dass Altkanzler Gerhard Schröder den Mitbürgern seiner Heimatstadt machen will, nämlich ein Fenster für die Marktkirche nach einem Entwurf von Markus Lüpertz. Doch daran entzündete sich ein zwei Jahre andauernder Urheberrechtsstreit mit Georg Bissen, dem Erben und damit Urheberrechtsnachfolger des 1994 verstorbenen Architekten Dieter Oesterlen: dieser habe beim Wiederaufbau der Kirche nach den Kriegszerstörungen eine „großartige Atmosphäre von Schlichtheit und Geschlossenheit“ geschaffen, die Oesterlens Stiefsohn Bissen indessen durch das Lüpertz-Fenster entstellt sieht, weshalb er den Einbau auf dem Klageweg verhindern wollte. Der Streit geriet bisweilen zur Posse: „Einigen Mitgliedern der Gemeinde missfiel aber auch der Stifter Schröder wegen dessen Nähe zu Kreml-Chef Wladimir Putin“, und deswegen lehnten sie den Lüpertz-Entwurf ab, wie „Die Welt“ reportiert. Ein anderer Schröder-Gegner glaubte bizarrerweise erkannt zu haben, Lüpertz stelle in seinem Werk nicht Martin Luther dar, wie er mit einem Tintenfass nach einer Fliege wirft, sondern er habe Schröder als Luther porträtiert. Nun wies die 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover Georg Bissens Klage ab mit der Begründung, das Werk des Architekten Oesterlen werde durch den Einbau des Lüpertz-Fensters nicht zerstört, sondern bleibe weitgehend erhalten. Es genüge, dass die Gemeinde das Bild mit religiösen Motiven angenommen habe“. Die Umgestaltung von Kirchenräumen müsse möglich sein, betonte der Vorsitzende Richter Florian Wildhagen in seiner Urteilsbegründung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; denn der unterlegene Kläger kann noch Berufung einlegen. Auf den Kirchenvorstand kämen für den Einbau 150.000 Euro an Kosten zu, für die Gerhard Schröder Gelder aus Vortragshonoraren zur Verfügung stellen will.

Dazu in Band 134 erschienen:


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