München: Streit um Kriegerdenkmal

22. März 2021 · Kulturpolitik

Der Bildhauer und Medailleur Hans Lindl begleitete den Ersten Weltkrieg künstlerisch mit der Gestaltung von Münzen und Medaillen, und dazu wählte er Motive wie „Singende Soldaten“ (1915) oder „Die Schlacht am Skagerrak“. 1929 durfte er ein Kriegerdenkmal entwerfen, das die Stadt München gegen die Proteste des Pfarrers in unmittelbarer Nachbarschaft der Hl. Kreuz-Kirche von München-Giesing aufstellte und mit einem Zuschuss von 2.000 Reichsmark unterstützte. Eine martialische Inschrift dort verkündet: „Für Dein Vaterland ließen sie ihr Leben – Sie starben für Dich“. „Wohl wäre Trauer angemessen, angesichts der Millionen von Toten, Soldaten wie Zivilisten, die im Ersten Weltkrieg und auch noch die Jahre danach an dessen Folgen gestorben sind, keinesfalls aber diese propagandistische Kriegs- und Heldenverehrung“, findet die Initiative „Initiative Giesing Denk(t)mal“ um den Künstler Wolfram P. Kastner, der zusammen mit Dr. Herbert Dandl, HP Berndl, Gabi Denker, Anita Hilbig, Hans Proft und Wolfgang Stöger eine „Umgestaltung des Steinblocks“ fordert. Die Initiative würde gerne im Sommer 2021 das Denkmal mit „vier opaken Glasscheiben aus Kunststoff“ versehen, „die einen informativen Text zum 1. Weltkrieg 1914-18, einen Text von Sophie Scholl sowie die Abbildung einer Grafik von Käthe Kollwitz und ein Foto eines Schlachtfeldes zeigen“. Doch dagegen sträubt sich das Münchener Kulturreferat: die „Relevanz der Auseinandersetzung mit der Thematik belasteter Denkmäler“ sei zwar „unbestritten“, aber dennoch könne für dieses Umwidmungsprojekt keine Förderzusage erteilt werden“. Das Vorhaben sei nämlich „aus fachlicher Sicht“ lediglich ein „rein kommentierend-erinnerungskulturelles Projekt“, und daher werde es „nicht als Kunstprojekt bewertet“. Trotzdem will die Initiative ihre Idee weiter verfolgen, und ihr sprang schon der Leipziger Kunstwissenschaftler Dr. Wolfgang Ullrich zur Seite: „So ist es seit einiger Zeit eine allgemein anerkannte Praxis des Umgangs mit historischen – und problematisch gewordenen – Denkmälern, deren Wahrnehmbarkeit dadurch zu verändern, dass ihnen etwas hinzugefügt wird. So bleibt ihre ursprüngliche Form und Aussage noch erhalten, wird aber durch zusätzliche Materialien, Texte oder andere Elemente semantisch überschrieben.“


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