Sturm auf den Winterpalast

23. Oktober 2017 · Aktionen & Projekte

Vor genau 100 Jahren fand die bolschewistische Oktoberrevolution in Russland statt: den Startschuss dazu gab der Kreuzer „Aurora“ mit einem Platzpatronenschuss; daraufhin stürmten die Revolutionäre in der Nacht zum 7. November 1917 den Winterpalast des Zaren in St. Petersburg (damals Petrograd), der gleichzeitig Regierungssitz war. Sie setzten die Minister der Regierung Kerenski ab und verhafteten sie (nach dem russischen Kalender fand dies am 25. Oktober 1917 statt, daher der Name Oktoberrevolution). Nach der Revolution machten die Bolschewiki den Palast der Öffentlichkeit zugänglich und schlossen ihn an die Eremitage an. Der Regisseur Sergej Eisenstein hat diese Ereignisse 1928 im Stummfilm „Oktober – zehn Tage, die die Welt erschütterten“ dargestellt; eine Neurekonstruktion des Films wurde 2012 auf der Berlinale vorgeführt. Berühmt ist das Foto, das den Sturm auf den Winterpalast zeigt – vermutlich handelt es sich aber um eine nachgestellte Szene aus einem 1920 entstandenen Film des Theaterregisseurs Nikolj Evrainov, denn an den Revolutionstagen selbst waren keine Fotografen oder Kameraleute vor dem Winterpalast anwesend. Dieses immer wieder publizierte Foto steht im Mittelpunkt der Ausstellung, die der HMKV-Hartware MedienKunstVerein vom 25. November 2017 bis zum 8. April 2018 im Dortmunder U zeigt. Titel: „Sturm auf den Winterpalast: Forensik eines Bildes“. Außer vielleicht jener Aufnahme, die Lenin als Redner zeigt, ist kein anderes Foto so sehr zum Sinnbild der Revolution geworden – aber auch zum Ausgangspunkt einer Medienpropaganda mit Zeitungsfotos und Wochenschaufilmen, wie sie sich dann seit den 1920er Jahren durchsetzte – es gibt in der Geschichte der politischen Agitation seither auch zahlreiche Beispiele, wie solche Fotos dann retuschiert und manipuliert wurden. Heute transportiert man via Internet „Fake News“ – Nachrichten, deren Inhalte gefälscht wurden. Das Revolutionsfoto zeigt ja im Grunde genommen auch nur eine theaterhafte Inszenierung. Die Ausstellung „präsentiert alle erhalten gebliebenen Aufnahmen des Reenactments von 1920 (zwei Filme, ca. 100 Fotografien) und die Dokumentwerdung des Fotos in der sowjetischen Geschichtsschreibung in Bildbänden, Schulbüchern, Zeitungsreportagen, Ausstellungen. Neben der minutiösen Rekonstruktion der Aufnahmesituation werden drei zeitgenössische Künstler*innen eingeladen, neue Arbeiten zu produzieren, die auf Evreinov antworten bzw. ihn kommentieren und sich mit den Themen Geschichte, Erinnerung, Reenactment und Wiederholung auseinandersetzen.“ Parallel zu dieser Ausstellung zeigt der HMKV ebenfalls bis zum 8. April 2018 außerdem die Ausstellung „Die Grenze“. Den roten Faden bildet die kulturelle und geografische Grenze zwischen Europa und Asien. „Das Projekt nähert sich dieser Thematik aus künstlerischer Sicht und lenkt den Blick über eine rein politische und ökonomische Betrachtung hinaus auf die kulturelle Dimension. Im Fokus des Projekts steht eine jüngere Generation von Künstlern und Kulturschaffenden, die ihre Reflexionen und Einsichten ab 2017 erstmals gemeinsam in einer Wanderausstellung in Osteuropa, Russland, Zentralasien und Deutschland zeigen“. www.hmkv.de

Dazu in Band 240 erschienen:


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