London
An Infinity of Traces
Lisson Gallery 13.04.– 05.06.2021
von Edgar Schmitz
Der Titel ,An Infinity of Traces‘ umschreibt die Ausstellung als Zusammenführen unzähliger Spuren und lehnt sich an ein Zitat des italienischen Kulturphilosophen Antonio Gramsci an, der damit behauptete, dass Identität als komplexe Schnittstelle historischer Einschreibungen funktioniert und sich meist nur indirekt und in ihren erlebten Ablagerungen erkennen lässt. Ekow Eshun nimmt diese Prämisse als kuratorische Herausforderung an, mit der gleichnamigen Ausstellung Identitäten nachzuzeichnen, die sich notwendig in Auseinandersetzung mit (und unter dem Druck von) der kolonialen Geschichte des britischen Empire und seiner institutionell rassistischen Rahmenbedingungen entwickeln mussten. Eshun hat dafür hier ein Spektrum künstlerischer Produktionen versammelt, die im Zusammenhang eines spezifisch schwarzen (und britischen) Feminismus Identitätsansprüche erarbeiten. Der Anspruch ist, dass es die Arbeiten in sich und die Ausstellung als Konstellation damit ermöglichen, Lebens-und Identitätswelten als diskontinuierlich und komplex, gleichzeitig kulturell überkodiert und autonom zu erahnen.
Die Eingangssituation ist programmatisch: in der langen Reihe von Jade Montserrats Bildern sind es überdeterminierte Floskeln und Einblicke, die die Stelle von Gesichtern einnehmen oder diese überlagern oder sich zu ihnen gesellen: Texte beschreiben, wie sie mit Zitronensaft ihre Hautfarbe ausbleicht, ihre Haare umformt, oder sich dem Patriarchat verweigert. Wo Gesichter und Körper(teile) in den Arbeiten erscheinen, am Rand oder unter dem Text oder auch hinter ihm, sind sie den Texten ausgeliefert; sie lassen sich nur durch sie sehen, lassen sich aber auch nicht wirklich verdrängen und fordern so die Einschreibungen immer neu heraus. Wie delikat die Arbeiten gemalt und geschrieben sind, ist sowohl hinsichtlich…