Recklinghausen
Ângela Ferreira
Kunstausstellung der Ruhrfestspiele 2023
Kunsthalle Recklinghausen 07.05.–06.08.2023
von Annelie Pohlen
Entrer dans la mine ist eine Zeichnung betitelt, die eher unauffällig im weiträumigen Erdgeschoss hängt. Ângela Ferreira hat sie 2023 der Kunsthalle Recklinghausen gewidmet. Wem die zur diesjährigen „Kunstausstellung der Ruhrfestspiele“ eingeladene Künstlerin nicht vertraut ist, wird deren sehr spezifische Sprengkraft nicht gleich zur Kenntnis nehmen.
Entrer dans la mine zählt aus kunstimmanenter Sicht zur Spezies der Bildhauerzeichnung, deren dreidimensionale Übersetzung nicht zwingend an einen vorgegebenen Raum gebunden ist. Im gegebenen Fall steht das realisierte Werk in Sichtweite zum Hauptbahnhof auf dem Vordach des Hochbunkers, in dem die Kunsthalle seit 1950 untergebracht ist. Beide sind nicht beliebige Schauplätze, sondern selbst Protagonisten in Ferreiras Aufführung globaler Verstrickungen von Macht und Ohnmacht, Ausbeutung und Revolte diesseits und jenseits des Äquators. Und wie schon zur Premiere anlässlich der Lubumbashi Biennale 2013 mutiert Dan Flavins Transformation von Tatlins Monument der 3. Internationale in Ferreiras postminimalistischer Skulptur „Entrer dans la mine“ auch in Recklinghausen aufs Schönste zur Bühne der selbst im Scheitern noch aufblitzenden Energie des gesellschaftlichen Kapitals der Moderne.
Die zwischen minimalistischer Kargheit und poetisch chiffrierter Wirklichkeit schlingernde Aura des Klageliedes zur Eröffnung lässt im Parcours durch ihre multimedial vernetzten Werkgruppen im Innenraum nicht nach. Schon deshalb nicht, weil ein immer und immer wieder an- und abschwellender Energiestrom aus vertrauten und fremden Klängen und Worten die Kunsthalle selbst in eine grandiose Bühne für Ferreiras über drei Dekaden anhaltende künstlerische Auseinandersetzung mit den bis heute zündenden Utopien von der Schönheit humaner Existenz und deren anhaltend brutaler Unterminierung…
