Karen Lamassonne
„Nette Mädchen machen solche Kunst einfach nicht.“
Ein Gespräch von Herbert Kopp-Oberstebrink
Hierzulande gehörte Karen Lamassonne zu den großen Unbekannten der Kunstwelt – bis zu ihrer Entdeckung durch eine hochkonzentrierte Werkschau Anfang 2023 im KW Institute for Contemporary Art. Das verwundert angesichts eines überaus breit angelegten künstlerischen Œuvres, das offenbart, dass sie in nahezu jedem Medium der bildenden Kunst zu Hause ist: Lamassonne zeichnet, malt, fotografiert, fertigt Skulpturen, Videos, Installationen, Collagen an und arbeitet mit Mixed-Media. Darüber hinaus hat sie in über 20 Filmen als Darstellerin, Verfasserin von Storyboards, künstlerische Leiterin, Ausstatterin und in vielen anderen Funktionen mitgewirkt, hat Animationsfilme gedreht, Cartoons gezeichnet und in einer Band gespielt. Zu den Bedingungen einer solch überbordenden Produktivität gehörte ein Netzwerk befreundeter, sich gegenseitig unterstützender Künstlerinnen und Künstler in Kolumbien. 1954 in New York als Kind eines argentinischen Vaters und einer kolumbianischen Mutter geboren, lebte Lamassonne schon früh zwischen zwei Kulturen. Nach ihrer Jugendzeit im New York der 1960er Jahre, zog sie im Alter von 17 Jahren mit ihren Eltern in das von Gewalt und Katholizismus geprägte Kolumbien. In der anglound südamerikanischen Kunst hingegen vollzog sich die Entdeckung der Künstlerin spätestens mit ihrer Teilnahme an der Ausstellung Radical Women: Latin American Art 1960 – 1985, die 2017 im Hammer Museum (Los Angeles) stattfand. Ein Ausstellungstitel, der wirkt, als wäre er eigens für diese Künstlerin erfunden worden. Denn ihre Kunst ist radikal nicht nur in der selbstgewissen Erkundung und Exposition des eigenen Körpers, der eigenen Sexualität, sondern auch in ihrem Sehnen nach Schönheit…