Hamburg
Jānis Avotiņš
New Works
Galerie Vera Munro 28.04.–27.08.2023
von Jens Asthoff
In seiner vierten Einzelschau bei Vera Munro zeigt der lettische Künstler Jānis Avotiņš (* 1981, Riga) eine Reihe neuer Bilder, flankiert von Gemälden und Zeichnungen, die zwischen 2021 und 2016 entstanden. Avotiņš‘ Malerei ist geprägt von einer charakteristischen Atmosphäre, die sich als gedehnte Stille beschreiben ließe, als retrospektive Zeitlosigkeit, die einen ins Schauen vertieft. Die Gemälde zeigen zumeist beiläufig wirkende Szenen: einzelne Passanten, Gruppen, Architekturkulissen. Oft fällt der Blick wie von außen auf solche Szenarios: Handlungen und Beziehungen der Protagonisten wirken gerichtet, bleiben aber ungewiss. Figuren formuliert Avotiņš mit vereinzelt individuellen Zügen, belässt sie aber meist an der Schwelle zur Anonymität. Das Gefühl von Zeitenthobenheit, das seine Bildwelt durchdringt, hat auch mit dem von ihm verwendeten Ausgangsmaterial zu tun: Sujets findet er in historischen Pressefotos, Bildern aus alten Stadtführern oder Architekturzeitschriften, die meist um Mitte des 20. Jahrhunderts datieren. Das birgt eine perspektivische Verschiebung und Distanznahme zur eigenen Gegenwart – macht die Bilder aber auch zu Echokammern im Heute. Die entscheidende Rolle dabei spielt Malerei selbst. Avotiņš verflicht Darstellungsgehalte derart eng mit dem Medium, dass nichts, was sich über Themen und Motive sagen ließe, von ihrer Erscheinungsqualität im Gemälde abzulösen wäre.
Der schmale Bildraum eines kleinen Hochformats etwa, in dem ein Mann, verschattet, in halb abgewandter Rückenansicht, sich noch weiter ins Bild hineinzubegeben scheint. Hinein in vage gefasste Landschaft, die von wolkenhafter Fülle wie dunkel überstrahlt ist: Schwerelos, womöglich aber doch eine Last, nimmt das informelle Gemenge in Untitled (2022) fast zwei…