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Essay · von Roland Schappert · S. 206 - 209
Essay ,

Infragestellung der Unverwechselbarkeit

Teil 1
von Roland Schappert

Lange Zeit galt eine unverwechselbare Handschrift als Kriterium herausragender Qualität künstlerischer Produktionen. Mit der weitgehenden Hinterfragung und Kritik individueller Stilmerkmale im Zeitalter kollektiver Produktionsweisen und digitaler Errungenschaften verlieren Eigenheiten künstlerischer Gestaltungsweisen zunehmend an Bedeutung. Was bedeuten uns heutzutage individuelle Fähigkeiten im künstlerischen Schaffensprozess?

Im Folgenden werden drei von insgesamt sechs Aspekten herausgestellt, die mir für eine Infragestellung der Unverwechselbarkeit künstlerischer Produktionsweisen besonders relevant erscheinen. TEIL 2 des Essays stellt im nächsten Band drei weitere Aspekte vor. Alle sechs Aspekte basieren auf gesellschaftlichen Entwicklungen und lassen sich nicht isoliert betrachten. Sie stehen in unmittelbarem Zusammenhang und haben ihren Einfluss auf Kultur und Künste innerhalb der westlichen Demokratien in den letzten Jahren zunehmend ausgebaut.

Mitmach-Kreativität

Jahrzehntelang gewöhnten wir uns an Skeptiker*innen der zeitgenössischen Kunst, die Ausstellungen besuchten und dann unvermittelt kundtaten: „Das kann mein Kind doch auch.“ Inzwischen hört man diese zumeist abfällig gemeinte Äußerung kaum noch. Stattdessen werden von vielen Menschen alltagstaugliche Anregungen aus der Mode ebenso wie aus den Bereichen der Künste dankbar aufgegriffen, um dann selbst mehr oder weniger aktiv und kreativ gestaltend einzugreifen. Ob es sich dabei um die Inszenierung eines Selfies vor einem Instagram-tauglichen Kunstwerk handelt oder um die Umstellung, Variation und Weiterverbreitung eines Memes oder um das Rebloggen eines Posts in den sozialen Medien: selbstbewusste Rezipient*innen zeigen sich interessiert am persönlichen Überraschtsein und reagieren mitteilungsbedürftig in ständiger Wahrnehmungsbereitschaft. Man könnte das Gefühl bekommen, die Macht der Aufmerksamkeit und Wahrnehmung ersetze geradezu die Idee des Kunstwerks. So hatte uns die Geschichte der Readymades im…

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von Roland Schappert

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