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Titel: Der homoerotische Blick · von Heinz-Norbert Jocks · S. 79 - 85
Titel: Der homoerotische Blick , 2001

Christoph Geiser
Der erotisierte Körper

Erste Annäherung an den vom Begehren geweiteten, verzehrenden, alles er-wartenden Blick

Christoph Geiser, 1949 in Basel geboren und heute in Bern ansässig, war zunächst als Journalist tätig. Verbrachte 1970 wegen Kriegsdienstverweigerung mehrere Monate in Haft. Dann Mitbegründer und Mitherausgeber der Literaturzeitschrift drehpunkt. 1968 erste Veröffentlichungen. Er ist wohl der bekannteste und sprachgewaltigste Schweizer Autor, der unermüdlich seine Sprachgeschosse voller Poesie auf die “Mauern aus Diskretion und Tabus” zielt. Klar, dass sein homoerotischer Blick ein widerständiger ist, gerichtet gegen die Familie als humanes Schein-Konstrukt. Er betrachtet die Situation der eigenen Familie als symptomatisch für die Krise der bürgerlichen Familie insgesamt. Mit seiner Erzählung Zimmer mit Frühstück von 1975 nimmt er den rätselhaften Selbstmord seines 21-jährigen Cousins auf Sizilien zum Anlass, dem verzweifelten Ausbruchversuch aus einer erstarrten Gesellschaftsform nachzuspüren. In seinem Roman Wüstenfahrt von 1984 zeichnet er die unglücklich verlaufene Liebesgeschichte zweier Männer mit all ihren Phasen der Gemeinsamkeit und schwulen Sinnlichkeit, unterwegs in New Mexico und Arizona, und damit auch das Scheitern und die existenzbedrohliche Reibung an den Betonwänden der Konvention nach. Immer klarer kristallisiert sich dabei eine sich erneuernde Poetik heraus, deren Wesens-Merkmale nicht nur die lebensnotwendigen Grenzverletzungen, sondern auch der absolute Tabubruch sind. Ein Höhepunkt in puncto homoerotischer Blick stellt der Roman Das geheime Fieber von 1987 dar, in dem die Konfrontation des Erzählers mit den Gemälden des italienischen Malers, Homosexuellen und Mörders Michelangelo Merisi da Caravaggio zu einer unglaublichen, in Atem haltenden Beflügelung einer Phantasie aus Begehren führt. In Kahn, Knaben, schnelle Fahrt. Eine Fantasie.


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von Heinz-Norbert Jocks

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