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Titel: Der homoerotische Blick · von Andreas Wilink · S. 179 - 192
Titel: Der homoerotische Blick , 2001

Andreas Wilink
Es ist eine schlechte Zeit für Gefühle

Unordentliche Gedanken über Homosexualität, den spezifischen Blick von Filmemachern des Gleichgeschlechtlichen und die stehende Formel der Sehnsucht

“Auf dem Felde der Liebe erwachsen die schwersten Wunden mehr aus dem, was man sieht, als aus dem, was man weiß.”
(Roland Barthes)

“Du darfst so nicht lächeln! Höre, man darf so niemandem lächeln! Er warf sich auf eine Bank, er atmete außer sich den natürlichen Duft der Pflanzen. Und zurückgelehnt, mit hängenden Armen, überwältigt und mehrfach von Schauern überlaufen, flüsterte er die stehende Formel der Sehnsucht – unmöglich hier, absurd, verworfen, lächerlich und heilig doch, ehrwürdig auch hier noch: ,ich liebe dich!'”

Dem Lächeln vorangegangen war der Blick, das Streiflicht ihrer Augen, der des Älteren und der des Jungen, Gustav von Aschenbachs und des polnischen Knaben Tadzio, bis der “Tod in Venedig” diese “unmögliche” Liebe eben ihrem letalen Finale zuführt. Dem Blick aber weist Thomas Mann, der sich damit als kundiger Leser des August von Platen und dessen “Tristan”-Gedichts mit den Anfangsversen “Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,/Ist dem Tode schon anheim gegeben” erweist, eine zentrale Bedeutung in der kommunikativen Kommunion zu, die einer seiner anderen, weniger glücklosen Helden, die seine letzte Romanfigur, der Hochstapler Felix Krull, der ja doch ein Wahrsager und Bescheidwisser der Liebe ist, folgendermaßen auf den Begriff bringt: “Nur an den beiden Polen menschlicher Verbindung, dort, wo es noch keine oder keine Worte mehr gibt, im Blick und in der Umarmung, ist eigentlich das Glück zu finden, denn nur dort ist Unbedingtheit, Freiheit,…


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