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Biennalen · von Ingo Arend · S. 230 - 235
Biennalen , 2014

10. Gwangju Biennale 2014, Südkorea
Die Dialektik der schöpferischen Erneuerung

Unter dem Motto: „Burning Down The House“ gelingt der 10. Gwangju-Biennale der Spagat zwischen Erinnerung und Zukunft
VON INGO AREND

Männer und Frauen in weißen Kleidern und schwarzen Augenbinden ziehen über einen öffentlichen Platz. Sie tragen dunkel verhüllte Kartons mit den Gebeinen ihrer Angehörigen. Stumm deponieren sie die sterblichen Überreste in zwei rostigen Stahlcontainern in der Mitte des Platzes. Aus zwei riesigen Verbrennungsöfen daneben quillt pechschwarzer Rauch.

An jedem anderen Ort wäre eine solche Szenerie als pietätloses Spektakel oder unverzeihliche Instrumentalisierung verdammt worden. Doch im südkoreanischen Gwangju ging die Kunst-Rechnung auf. „Navigation ID“ hatte die südkoreanische Künstlerin Minouk Lim ihre Performance genannt, die Anfang September die 10. Gwangju-Biennale eröffnete. Direkt vor der zentralen Ausstellungshalle von Asiens ältester und wichtigster Kunstbiennale begingen die Überlebenden zweier traumatischer Ereignisse der südkoreanischen Geschichte ein symbolisches Leichenbegängnis.

Die Überlebenden der Massaker von Jinju und Gyeongsan zu Beginn des Koreakrieges 1950 trafen auf die „May Mothers“, die Mütter der Aufständischen, die die Militärdiktatur von Präsident Chun Doo Wan im Mai 1980 niedermetzeln ließ. Die Tragödie in der Industriearbeiterstadt im Westen ging als „Gwangju-Massaker“ in die südkoreanische Geschichte ein. Was für europäische Augen problematisch inszeniert aussah, glich jedoch einem angemessenen Re-Enactment. Auf einer Fotoserie in dem „Memorial Center“ der südwestkoreanischen Millionenstadt sieht man Einwohner von Gwangju, die am 5. Mai 1997, siebzehn Jahre nach dem 14-tägigen Blutbad von 1980, die Knochen ihrer Angehörigen in Kartons auf einen Friedhof tragen. Lims Performance nahm das historische Vorbild also behutsam auf.

Die Gwangju-Biennale hat…



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