Relektüren
Folge 80
Rainer Metzger
„Man fragt oft: Würde ein Hitler dieselbe Chance wie 1930 haben, wenn er heute in der Bundesrepublik aufträte – besonders wenn Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit ein ähnliches Ausmaß gewönnen wie damals in der Weimarer Republik? Wenn unsere Analyse der Hitlerschen Machtergreifung richtig ist, fällt die Antwort beruhigend aus: Nein, Hitler würde nicht die Chance haben; und zwar deswegen nicht, weil es in der Bundesrepublik keine staatsablehnende Rechte gibt, die den Staat vorbereitend für ihn zu zerstören bereit wäre“. 45 Jahre sind diese in der Tat beruhigenden Worte jetzt alt, die Sebastian Haffner in seinem seinerzeit sensationellen, in breitester Resonanz rezensierten, für insgesamt 43 Wochen die Bestsellerliste des Spiegel für Sachbücher anführenden und lapidar Anmerkungen genannten Text gleichsam beiläufig auf Seite 61 unterbringt. Die Zeilen sind im dritten Kapitel „Erfolge“ vermerkt, das jenem zu „Leben“ und zu „Leistungen“ nachfolgt. Bereits da kann der Autor sein Publikum beruhigen. Anschließend kommen, Kapitel vier bis sieben, noch „Irrtümer“, „Fehler“, „Verbrechen“ und schließlich „Verrat“. Wenn schon unter den positiven Seiten zum vermutlich Größten Führer aller Zeiten die Abrede fällig ist, braucht man in puncto seiner Gegenwart nichts zu befürchten. Was dann noch alles folgte bei ihm, kann dann füglich in der Vergangenheitsform stehen. Oder, wie Haffner wunderbar schreibt: „Hitler hat nichts ausgerichtet, sondern nur (aber immerhin) Ungeheuerliches angerichtet“ (S. 98 – zitiert wird nach der Erstausgabe der Taschenbuchedition, Frankfurt 1981)
Haffners gerade 150 Seiten langer Text war eine Auftragsarbeit. Helmut Kindler, der Verleger nicht nur des Malereilexikons, war auf ihn zugekommen. Eigentlich hatte das…