Postdigital 2
Erscheinungsformen und Ausbreitung eines Phänomens
von Franz Thalmair
„Für Objekte, die nach dem Internet kommen, kann es keine ‚originale Kopie‘ mehr geben. Selbst wenn ein Bild oder ein Objekt bis zu seiner Quelle zurückverfolgt werden kann, so kann die Substanz des ursprünglichen Objekts nicht mehr als grundsätzlich wichtiger als die seiner Kopien angesehen werden.“1
Das Vervielfältigen von Material, welcher Provenienz und Form auch immer, hat sich im 20. Jahrhundert als explizites künstlerisches Arbeitsmodell etabliert. Im Unterschied zu vordigitalen Tendenzen wie dem dadaistischen Readymade, dem Konstruktivismus, der Pop, Conceptual oder Appropriation Art – alles Strömungen, in denen die Grenzen von Original und Kopie erstmals aufgeweicht wurden – ist das Kopieren in digitalen Zusammenhängen für das aktuelle Kunstschaffen konstitutiv geworden und hat in inhaltlicher, formaler und materieller Hinsicht Auswirkungen darauf. Die verlustfrei mit digitalen Mitteln erzeugte Kopie ist sowohl übergeordnetes Denkmodell als auch konkrete Ausdrucksform, die sich auch abseits ihr ureigenster Zusammenhänge in künstlerische Produktions-, Rezeptions- und Distributionsvorgänge einschreibt und diese mitgestaltet. Dieser postdigitale Zustand – die Allgegenwart und gleichzeitige Unsichtbarkeit digitaler Technologien – forciert auch die Omnipräsenz der Kopie geradezu.
KünstlerInnen der Generation „Digital Native“ wie der eingangs zitierte Artie Vierkant sehen heute keine Notwendigkeit, im Netz und darüber hinaus zirkulierende künstlerische Formen zurück zu ihren Ursprüngen zu verfolgen. Wie es zu dieser selbstverständlichen Gegebenheit von Bildmaterial kommt und wie sich die durch digitale Technologien instabil gewordene „Substanz“ eines Kunstwerkes aktuell verändert, verdeutlicht Vierkant im Aufsatz „The Image Object Post Internet“: „Wenn ich ein Bewegtbild nehme und es durch ein Objekt darstelle (ein Video, das beispielsweise durch Styropor in skulpturale Form gebracht…