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Dissonante Perspektiven · von Hans Ulrich Reck · S. 34 - 37
Dissonante Perspektiven , 2016

Erschöpfung

Sich als junger Mensch zu entscheiden, Kunst machen zu wollen, drückt immer auch eine existenzielle Entdeckung aus: Dass man in gewisser Weise sich bereits als Künstler, Künstlerin sieht und fühlt. Diesem Ruf zu folgen, hat zwei Voraussetzungen: Dass man einsieht, dass Künstler vor allem auch ein Künstler ohne Werk ist. Und ein unbedingter Wille, Künstlerin mit Werk zu werden, also sozial als solche anerkannt zu sein, irgendwann. Nun prallt dieser Wille jedes Jahr auf eine schwieriger werdende Situation. Kunst machen zu wollen ist zwar immer schon der selbstbestimmte Beginn einer Initiierung in Kunst selber gewesen. Aber die Voraussetzungen, Formen und Qualitäten der Initiierung wandeln sich im Laufe der Zeit.

Durch die so genannten globalen, techno-imaginären, apparativen ‚Kommunikationstechniken‘ schrumpft die Welt. Zugleich intensivieren sich die Rhythmen der verrinnenden Zeit, zumal im besonderen Modus einer Ko-Präsenz des Vergangenen. Also – zumindest sieht das so aus – existieren gleichzeitig immer mehr Kunstwerke in der Sphäre des Jetzt, den Gegebenheiten des Gegenwärtigen. Und an dem wird man gemessen. Was kann man also noch tun, was nicht schon, durch andere, wenn auch anders, aber eben doch: auch schon gemacht worden ist? Wie kann man – im Zeitalter angeblicher Rundum-Verfügbarkeit von allem Existierenden, ja: allem jemals Geschaffenen – frei arbeiten im Gefühl und unter dem Verdacht, heftig gegen die Zeit angehen zu müssen, weil ja gerade jetzt jemand genau das macht, was man selber erst entdeckt und machen möchte?

Deshalb geben die Folgen der Einsicht, Künstler zu sein, also solcher werden zu wollen, eher die Abarbeitung eines zwangsweise erlittenen Schicksals auf, als dass sie nur die…

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von Hans Ulrich Reck

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