Spiele, Kinder, Kunstpublikum und andere Perversionen
von Peter Joch
Die Szenen sind ebenso wohlig-schaurig wie sattsam bekannt. Wenn in einem gängigen Horrorfilm im Kinderzimmer das Licht ausgeht, starren die Betrachter*innen irgendwann wie gebannt auf eine magisch erleuchtete Puppe oder auf ein anderes lieblich-süßliches Spielzeug, das mitten in der Nacht von einem ebenso magischen wie unheimlichen Leben erfüllt wird und eine neue Berufung als dämonisch gnadenloser Killer findet. Zuweilen erwürgt das Spielzeug beispielsweise den unschuldig schlummernden Sprössling. Um kurz noch bei den Schreckensstreifen zu verweilen: Diese Verkehrung von „harmlos“ in „böse“ betrifft vielfach auch wiederum das reale Kind im Film. Dies demonstrieren einige Klassiker des Genres auf nahezu erschreckende Weise: Aus einem feschen Buben wird in Richard Donners Omen eine wahrhaft abstoßende Personifikation von Satanas, zwei weißgekleidete Schwesterchen wiederum entpuppen sich in Stanley Kubricks Shining als Geister-Zwillinge, die ein verschrecktes Kind ins verhängnisvolle Jenseits zu locken versuchen. Eine Art Höhepunkt des Schreckensdramas vom dämonischen Kind bildet – natürlich – Roman Polańskis Rosemary’s Baby. Unvergessen die Szene, in der die Mutter die satanische Identität ihres Säuglings erkennt, um sich nach ihrem allzu verständlichen Schock doch schließlich liebevoll kümmernd und offenbar instinktgeleitet zum buchstäblich kleinen Teufel mütterlich herabzubeugen.
Warum diese choreographische Masche so erfolgreich ist, hat vielleicht einen einfachen Grund: Der Blick des Erwachsenen auf das Kind ist vielfach – das vermitteln uns eine Unzahl von Psycholog*innen, Literat*innen und Künstler*innen spätestens seit der Aufklärung – von projektiven Unterfütterungen begleitet. In überkommenen gängigen kulturellen Klischees gilt die Kindheit schlicht als schönste Lebenszeit, vermittelt sie Unschuld, Aufbruch, Hoffnung…