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Fragen zur Zeit · von Michael Hübl · S. 36 - 41
Fragen zur Zeit ,

Fragen zur Zeit
Heidegger, AI und der Monte Mottarone

Michael Hübl
EINIGE NEBENBEMERKUNGEN ZUR DEBATTE UM DAS, WAS KÜNSTLICHE INTELLIGENZ GENANNT WIRD

Just, als es Mode war, Asparagus, Alpenveilchen und andere Pflanzen auf Möbeln mit organoid geformten Abstellflächen zu präsentieren, tritt Martin Heidegger mit einem Begriff auf den Plan, von dem er sich offenbar ähnliche epochenübergreifende Nachhaltigkeit erhoffte, wie sie Platons ‚idéa‘ erlangt hat. Bei der Münchener Veranstaltungsreihe zum Thema „Die Künste im technischen Zeitalter“1

konfrontiert der Philosoph 1953 seine Zuhörerschaft mit dem Begriff ‚Gestell‘. Mit Platon eint ihn, dass beide Begriffe der Alltagssprache entnommen sind und zunächst mit keinen weiterreichenden Implikationen belegt sind. Unter ‚idéa‘ verstanden die Griechen einfach nur das Aussehen, die äußere Gestalt von etwas, als ‚Gestell‘ gilt gemeinhin eine Konstruktion, auf der etwas gelagert oder aufgebaut werden kann.

Dass Heidegger ausgerechnet dieses Wort ins Zentrum seiner Überlegungen rückt, während allenthalben Blumen-Stellagen in Nierentisch-Ästhetik en vogue sind, mutet an wie zeitgeschichtliche Ironie. Dabei geht er keineswegs naiv zu Werke, verfällt nicht dem seinerzeit verbreiteten Fortschrittsglauben, sondern erkennt des Gefährdungspotenzial der Technikentwicklung: Seit Hiroshima und Nagasaki sind erst acht Jahre vergangen. Heidegger richtet den Blick auf eine Stufe im Geschichtsverlauf, „wo bereits Kraftmaschinen erfunden, die Elektrotechnik auf die Bahn und die Atomtechnik in Gang gesetzt sind“.2

Und doch: Obschon der Denker von Todtnauberg offensichtlich (zumindest grobe) Kenntnis hatte vom seinerzeit aktuellen Stand naturwissenschaftlicher Forschung und der daraus resultierenden technologischen Möglichkeiten, wirken die Hinweise auf die naturwissenschaftlich fundierten Errungenschaften der Moderne ungenügend, weil irgendwie harmlos und zu eng.

Zum einen fehlt, was schon zu Heideggers…

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