Aktionen und Projekte
Dortmunder U dokumentiert New Yorker Studio 54
Am 26. April 1977 eröffneten Steve Rubell und Ian Schrager das „Studio 54“ in der 54. Straße in New York City, eine Mischung aus Disco und Nightclub. Zur Eröffnung kamen Weltstars wie Cher und Frank Sinatra – und Donald Trump, ein damals noch unbekannter junger Bauunternehmer. Andy Warhol war hier Stammgast; auch Mick Jagger wurde hier häufig gesehen. Salvador Dali, Adonna, Elton John und Michael Jakcson tauchten ebenfalls auf der Gästeliste auf. Um exzessive Partys und Drogenkonsum ranken sich zahlreiche Legenden – das „Studio 54“ war das Eldorado der Saturday Night-Fever-Generation, bis die Inhaber ins Visier der Steuerfahndung gerieten und den Club vorübergehend schließen mussten. 1981 verkauften Rubell und Schrager das Etablissement. Das New Yorker Brooklyn Museum dokumentierte ab dem 13. März 2020 in einer Ausstellung die Geschichte des Clubs. Anschließend wandert die Ausstellung an das Dortmunder U, und zwar voraussichtlich vom 14. August bis 8. November 2020 (Arbeitstitel „Studio 54: Night Magic“). Es ist die bislang einzige Ausstellungsstation in Europa. www.dortmunder-u.de
Rosemarie Trockel in der Munro Foundation
Klaus „Nick“ Munro (1927–2013) war ein erfolgreicher Komponist, Textdichter, Sänger, Musikproduzent und Drehbuchautor. U. a. schrieb er Hits für Vicky Leandros, Roger Whittaker oder Demis Roussos. Er verfügte, dass nach seinem Tod seine Lizenzen und Tantiemen der Kunst zugutekämen. Darum kümmert sich seine Frau, die Hamburger Galeristin Vera Munro: die Nick and Vera Munro Foundation fördert künstlerische und ästhetische Haltungen in der bildenden Kunst, die sich bewusst gegen den oberflächlichen Trend, gegen marktfähige und kommerziell orientierte künstlerische Produktionen positionieren. Die Stiftung finanziert ein Konzept des Künstlers, das der Künstler gerne realisieren möchte – was in einer Galerie aber in der Regel nicht möglich ist. Danach wird das ausgestellte Werk an ein Museum gespendet. Die Kombination von Ausstellung und Publikation wird sich insbesondere auf Künstler der mittleren Schaffensperiode beziehen, die kunsthistorische Zäsuren gesetzt haben, aber gleichzeitig für die jüngere Künstlergeneration inspirierend und orientierend sind. Die Eröffnungsausstellung richtet voraussichtlich im Mai 2020 Rosemarie Trockel mit einer Installation unter dem Titel „A Gift of My Parents“ aus. Für die Publikation steuern Yilmaz Dziewior (Direktor des Museum Ludwig Köln) und Brigid Doherty (Außerordentliche Professorin für Kunst des 20. Jahrhunderts an der Princeton Universitiy, USA) einen Text bei. http://veramunro.com/ foundation/
Luxembourg: Red Bridge Project
Drei Institutionen in Luxembourg haben sich zu einem „Red Bridge Project“ zusammengeschlossen, um „Brücken zu bauen“, und zwar „geografisch wie künstlerisch zwischen Musik, Tanz, Performance, Film und Bildender Kunst“. So wird bildende Kunst in der Philharmonie ausgestellt, sind im Mudam – Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean Installationen zu sehen und Performances im Grand Theatre. Nachdem das erste Projekt dieser Art von der belgischen Choreografin Anna Teresa De Keersmaeker durchgeführt wurde, hat man nun die die Spielzeit 2020 / 2021 den südafrikanischen Künstler William Kentridge engagiert. In Südafrika hatte er die Junction Avenue Theatre Company gegründet und in den 1990er Jahren mit der Handspring Puppet Company an mehreren Performance-Projekten zusammengearbeitet. Auch seine Produktionen und Inszenierungen im Opernbereich prädestinieren ihn für diese Einladung nach Luxembourg. Zuletzt wurde seine „Wozzeck“-Inszenierung im Dezember 2019 in der Metropolitain Opera von New York aufgeführt. Performances von William Kentridge in der Philharmonie von Luxembourg sind für den 12. November 2020 angekündigt; eine Ausstellung „William Kentridge.Image.Parole.Son“ im Mudam findet vom 13. Februar bis zum 6. Juni 2021 statt. Vom 28. Mai bis zum 6. Juni 2021 richten die Thetares de la Ville de Luxembourg ein Festival „Talentlab goes Red Bridge Project“ aus. www.philharmonie.lu
Jenny Holzers „Survival“-Plakette im Berliner Kolonadenhof
Auch nach dem Ende der Ausstellung „Kampf um Sichtbarkeit“ über Künstlerinnen in der Berliner Nationalgalerie vor 1919 „bleibt dieses Thema auch weiter im öffentlichen Raum gegenwärtig, denn im Kolonnadenhof der Berliner Museumsinsel wurde nun Jenny Holzers Aluminiumplakette mit dem Text „Men don’t protect you anymore“ angebracht. Die Arbeit stammt aus Holzers „Survival“-Serie in den 1980er Jahren und verweist nun an einem Skulpturensockel dauerhaft auf die Präsenz von Künstlerinnen im Kunstbetrieb. Jenny Holzer nennt diese zum Nachdenken anregende Einzeiler „Truims“ und begann in den 1970er Jahren, sie in New York im öffentlichen Stadtraum zu plakatieren. Später wandelte sie dieses Prinzip mit LED-Screens ab. Die Nationalgalerie lädt seit rund zehn Jahren zum dauerhaften künstlerischen Bespielen einer Sockelfläche ein; nach Jonathan Meese 2010 und Joep van Lieshout ist nun 2020 Jenny Holzer die erste Künstlerin in dieser Programmreihe.
www.smb.museum
„A Performancelife“ in Zeiten von Corona
Seit 2001 führt die Künstlerin Siglinde Kallnbach ihr Projekt „a performancelife“ durch. Auf Leinwänden, Textilien und anderen Bildträgern sammelt sie Unterschriften zur Bekundung von Solidarität und Empathie für die Opfer von schweren Krankheiten wie Krebs, von Naturkatastrophen wie in Fukushima oder von Terroranschlägen. Die Original-Objekte schickt sie dann oft z. B. an die Bürgermeister, deren Städte von solchen Attentaten betroffen sind. In der jetzigen Coronavirus-Pandemie sind nähere Kontakte beim Unterschriftensammeln nicht möglich. Der Schutz von Teilnehmern und Künstlerin, die durch ihre eigenen Vorerkrankungen zur Hochrisikogruppe gehört, hat absoluten Vorrang. Da eine Aktion ohne den empfohlenen körperlichen Mindestabstand alle Beteiligten in Gefahr bringen würde, muss Kallnbach ihre Vorgehensweise nun abwandeln. Von den verschickten Originalen hat sie Fotos gemacht, nun weiter künstlerisch verwendet und publiziert werden, damit dieser „Pool an guten Wünschen und an Solidarität“ in den jetzigen Zeiten dramatischer Einschränkungen und Veränderungen den Menschen Mut macht.
Varda par Agnès
Auf dem Berlinale-Filmfestival im vergangenen Jahr hatte der Film „Varda par Agnès“ Premiere – das Opus ist sozusagen das Vermächtnis der Regisseurin (1928–2019), die kurz darauf im März 2020 verstarb. Agnès Varda gilt als Pionierin der „Nouvelle Vague“ im französischen Kino der späten 1950er und 1960er Jahre: Claude Chabrol, François Truffat oder Jean-Luc Godard sind hier in einem Atemzug mit Agnès Varda zu nennen, obwohl ihre Tochter Rosalie Varda in einem „Spiegel“-Interview dazu sagt: „Pionierin … das war nicht ihr Selbstverständnis. Und Feministin war sie einfach, ohne groß drüber nachzudenken. Auch in ihren Filmen ging es ihr nie um intellektuelle Ideen, sondern um den menschlichen Blick. „Varda par Agnès“ eine „Auseinandersetzung mit dem eigenen Werk“ („Der Spiegel“); Kinostart in deutschen Filmtheatern war im Februar 2020. Rosalie Varda ist Produzentin des Films; sie hat sich vorgenommen, demnächst die älteren Filme ihrer Mutter zu „digitalisieren und zugänglich zu machen.“
BONN: ZWEI KLANGKUNSTPROJEKTE
Seit 10 Jahren führt die Bonner Beethovenstiftung Veranstaltungen mit dem Klang-kunst-Schwerpunkt „b o n n h o e r e n“ durch, und dies auch zum jetzigen Beethoven Jubiläumsjahr 2020: Die beiden Projekte „sonotopia – the sonic explorers“ und „LISTENING / HEARING“, geplant für den Juni 2020, sind Ausblick und künstlerische und wissenschaftliche Bilanz nach zehn Jahren Arbeit mit internationaler Klangkunst im öffentlichen Stadtraum und mit künstlerischer Nachwuchsförderung. Zum internationalen Symposium LISTENING / HEARING werden alle 11 bisher nach Bonn berufenen Klangkunstschaffende noch einmal eingeladen, um mit „Hör-Forschern über den heutigen Stand der wissenschaftlichen und künstlerischen Forschung zum Hören und Zuhören“ zu diskutieren. Das Nachwuchsprojekt „sonotopia“ wird „in dem neuen Austausch- und Residenzprojekt „the sonic exploreres“ fortgeführt und auf drei Kontinente erweitert“.
www.bonnhoeren.de
Berlin: Himmel über Nöldnerplatz
„Himmel über Nöldnerplatz“ nennt Christian Hasucha seine Skulptur, die als Ergebnis eines Wettbewerbs zur Gestaltung jenes Platzes dort eingeweiht wurde. Das Thema war frei, doch wurde den Beteiligten nahe gelegt, sich mit ihrem Wettbewerbsbeitrag an Heinrich Zille zu orientieren und auch das Thema Armut und Wohnungsnot aufzugreifen, das ja derzeit im gentrifizierten Berlin eine Rolle spielt und auch die politischen Debatten über die Mietpreisbremse etc. bestimmt. Den Himmel haben jene Obdachlosen über sich, die im Freien z. B. auf einer Parkbank nächtigen müssen. Hasuchas Skulptur besteht aus einem Ensemble, und zwar „aus einem allseitig geschlossenen Hauszelt aus Aluminiumguss und eine Mastleuchte in räumlicher und formaler Proportion zur westlichen Rasenfläche.“ Die Arbeit soll dort nun dauerhaft verbleiben. Der Künstler ist seit 1981 auf Projekte im öffentlichen Raum spezialisiert und führe in diversen Städten „öffentliche Interventionen“ und „Stadtimplantate“ durch.
www.hasucha.de
Timm Ulrichs: Mit 80 eine neue Klasse
„Ich will nichts! Und ich brauche nichts!“ Was der Künstler und emeritierte Hochschullehrer Timm Ulrichs von Geschenken hält, hat er immer wieder deutlich gemacht. Er ist sich halt selbst genug. Und teilt lieber aus: mit Werken und Worten und sonstigen Gaben. Das Epitaph seines seit 1969 bereitstehenden Grabsteines hat sich vielen eingemeißelt: „Denken Sie immer daran, mich zu vergessen!“ Nun, zu seinem 80. Geburtstag, bringen mehr als dreißig frühere Studierende seiner Münsteraner Akademieklasse sich und ihn in Erinnerung. Zur Überraschung des alten Meisters haben die selbst in die Jahre Gekommenen ein für ihn gänzlich immaterielles Präsent auf den Weg gebracht. Symbolisch erhält Timm Ulrichs eine junge, mobile Klasse. Real befindet sich das Klassenzimmer auf einem Marktplatz in Benin, wo mit dieser finanziellen Unterstützung Mädchen die Chance geboten wird, parallel zu ihrer Arbeit Bildung zu erfahren und neue Perspektiven zu eröffnen. Timm Ulrichs’ Arbeit Wurzel-Werk zeigt seine Kopfform, bestehend aus Humus und durchsetzt von den feinen Wurzeln eines Buchsbaumes. Es ist das Bild des Künstlers als Schöpfer und Substrat und damit auch das des Nährbodens für den Nachwuchs. Für das zuteil gewordene Geschenk fruchtbarer Lehre möchten sich die ehemaligen Schüler*innen jetzt bedanken und es ihrerseits nachhaltig weitergeben. Neben dem Klassenzimmer spenden sie deshalb zusätzlich für diverse Bildungsmaterialien und Schulgebühren sowie für Alphabetisierungsmaßnahmen für Frauen in Pakistan. Wenn er selbst auch nichts geschenkt haben will, so dürfte der universalgelehrte Totalkünstler Timm Ulrichs diese Aktion begrüßen, denn wachsende Bildung wird fortwährend gebraucht.