Die Konvergenz des Audiovisuellen
Aktuelle Strömungen in der Musiknotation
von Christian M. Fischer
Seit Ende des 19. Jahrhunderts haben die Technisierung und seit Mitte des 20. Jahrhunderts die Digitalisierung die künstlerischen Welten des Visuellen und des Auditiven bzw. der Musik immer weiter verschmelzen lassen. In diesem Spannungsfeld entstanden neue hybride audiovisuelle Kunstformen und popkulturelle Strömungen von denen sich manche in den uns vertrauten Medien, wie zum Beispiel im Musikvideo etablierten. Ein Gebiet, welches in diesem Kontext konzeptionell und ob der inhärenten visuellen Kommunikationsprozesse eine Besonderheit darstellt, sind die in diesem Beitrag behandelten alternativen Formen von Musiknotation. Damit sind zunächst einmal alle Ansätze gemeint, welche über die seit etwa 250 Jahren kaum veränderte Notenschrift mit Liniensystem, Taktstrichen und Notenwerten hinaus gehen. Die Entwicklung von alternativen Notationsformen erlebte besonders in den vergangenen zehn Jahren eine kreative Neubelebung, eine Art Renaissance, was vor allem auf die Verwendung von Animationstechniken zurückzuführen ist.
In den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts suchte eine musikalische Avantgarde in den USA um Morton Feldman, Earle Brown, John Cage und anderen nach neuen musikalischen, sowie performativen Ausdrucksformen. Dies beinhaltete auch eine kritische Auseinandersetzung mit der klassischen Musiknotation. Earle Brown postulierte 1965 in seinem Aufsatz „Notation und Ausführung Neuer Musik“ eine neue, der Starrheit der klassischen Notation seit 1800 entzogene Musiknotation als unabdingbare Voraussetzung, um neue Musik überhaupt denken und schließlich komponieren zu können. Bereits zehn Jahre zuvor zeigte er mit seinem berühmten, sich auf die Mobile Alexander Calder’s beziehendes Werk December 1952 aus der Serie „Folio“ wie weit er zu gehen…