Köln
The Köln Concert. Dorothy Iannone & Juliette Blightman
Kölnischer Kunstverein 31.10.2020–31.01.2021
Vleeshal Middelburg April 2021
von Annelie Pohlen
„Ein Bild höher noch als Engel: The Köln Concert“. Mit diesen Worten richtet Amelia Stein ihren Blick auf zwei Künstlerinnen, deren Geburtsdaten fast ein halbes Jahrhundert auseinanderliegen. Und deren Schau just zwei Tage vor dem Fest aller Heiligen im katholischen Universum eröffnete. In Köln könnten Fantasie begabte Erzähler und Erzählerinnen diese problemlos der Community aller heiligen Engel zuschlagen, wohl wissend, dass die von der Konzertantin Dorothy Iannone (* 1933) 1969 ins Spiel lancierte, eigensinnige Spiritualität von Tarotkarten den geistigen Oberen auch heute noch nicht ganz geheuer sein dürfte.
Das über Jahrhunderte in vielen Kulturkreisen aus mystischen, magischen, okkultistischen und sonstigen eher transrationalen Quellen gespeiste Medium gilt der 1933 in Boston geborenen und über verschiedene, nicht zuletzt der Liebe geschuldete Stationen in Berlin gelandeten Künstlerin als grandioses Modell für ein ungeniertes, durch nichts aus der modrigen Tabukiste ausgebremstes Spiel mit der eigenen, erotisch aufgeladenen Biografie. Und die bietet dem für solche Akkorde bereiten Publikum im gegebenen Fall Einblick in ihren in Wort und Bild gespeicherten, leidenschaftlichen Alltag mit ihrem Künstlerkollegen und Lebenspartner Dieter Roth. Dass Iannones ungehemmt freie Bilderbiografie von körperlicher Lust und Leidenschaft 1969 in der Kunsthalle Bern gleich einen Skandal auslöste, nimmt man heute eher schmunzelnd zur Kenntnis. Dass die Zensur mittels der berüchtigten Balken auf den tabuisierten Körperteilen von Roths Freunden Karl Gerstner, Daniel Spoerri und Andre Thomkins zugelassen wurde – ob aus Überzeugung oder vorauseilendem Gehorsam, verstört ein halbes Jahrhundert später dann…
